Cows – Folge nicht der Herde (von Dawn O’Porter)
Autor: Dawn O’Porter
Erschienen: 2019
Seiten: 464

Tara, 42, Dokumentarfilmerin und alleinerziehende Mutter, hat ihr Leben abseits traditioneller Rollenbilder soweit im Griff. Nur ein Partner wäre noch nett. Als sie den Richtigen kennen lernt, wacht sie plötzlich als Spottfigur der Nation auf. Doch dann tritt die taffe Lifestylebloggerin Cam, die einen ganz anderen Lebensstil verkörpert, in ihr Leben.
Währenddessen wünscht sich Stella, der ihr Leben seit dem Krebstod ihrer Mutter und ihrer Zwillingsschwester rasant entgleitet, nichts sehnlicher als ein Kind und geht dabei verzweifelte Wege.
Cows erschien 2019 bei FISCHER. Dawn O’Porters Gesellschaftsroman umfasst 464 Seiten und wird als Taschenbuch mit Klappenbroschur geliefert.
Dawn O’Porter erzählt in Cows die Geschichten dreier ganz unterschiedlicher, teilweise scheinbar krass gegensätzlicher Frauen, die allesamt nicht das klassische Rollenbild verkörpern. Tara ist alleinerziehende Mutter und voll im Berufsleben. Ihre Tochter Annie hat sie durch einen One-Night-Stand bekommen, dem Vater hat sie nie von ihr erzählt, um ihn nicht unter Zugzwang zu setzen. Im Job ist sie von Sexisten umgeben, die Mütter von Annies Mitschülern vermitteln ihr, dass sie nichts Gutes von ihrer Doppelrolle halten. Auch wenn Tara Mutterschaft und Arbeit aufopferungsvoll meistert, erntet sie Ablehnung von allen Seiten. Als ihr Leben dann aus den Fugen gerät, halten im Prinzip nur noch ihre Mutter und Annie zu ihr.
Cam ist 36 und feministische Lifestylebloggerin der ersten Stunde. Sie lebt ihr Leben, wie es sie glücklich macht, was bedeutet, kein Kinderwunsch, keine Liebesbeziehung und, abgesehen von ihrem Onlineleben, relativ alleine. Ihre Mutter versteht sie nicht, denn sie ist die einzige von vier Schwestern, die keine Familie gründen will. Mit ihrem Blog versucht sie, Frauen zu bestärken, aus klassischen Rollenbildern auszubrechen und sich zu nehmen, was sie wollen.
Stella, die Jüngste in der Runde, ist 23 und Persönliche Assistentin. Sie trägt das Brustkrebsgen, genau wie ihre Mutter und ihre Zwillingsschwester, die beide an Krebs verstorben sind. Seit dem Tod ihrer Schwester ist ihr Leben völlig aus der Bahn. Sie lebt in einer Beziehung, die sich im Auflösungsstadium befindet, kann ihre Schwester nicht los lassen und ist sozial relativ isoliert. Und sie ist fest davon überzeugt, dass ein Kind den Sinn ihres Lebens retten würde, allerdings kommt für sie nur eine natürliche Schwangerschaft in Frage. Durch das Brustkrebsgen rinnt ihr dafür die Zeit durch die Finger.
Die Handlungsstränge der drei Frauen erzählt Dawn O’Porter im Fall von Tara und Stella aus der Ego-Perspektive, in Cams als allwissende Erzählerin. In allen drei Fällen füllt sie die Figuren aber mit viel Tiefe. Taras und Cams Hinter- und Beweggründe kommen für mich absolut nachvollziehbar rüber, für Stella ist das in meinen Augen im Vergleich nicht ganz so gut gelungen. Ihre Geschichte entwickelt eine Eigendynamik, die sie meines Erachtens nicht hätte entwickeln müssen. Aber das ist ok, möglicherweise biegt sie einfach nur ein paar Mal falsch ab.
»Folge nicht der Herde« ist zweifellos die rote Linie des Buches. Neben den feministischen Positionen, die Dawn O’Porter am explizitesten durch Cam und ihr Blog propagiert und mit denen sie sich ›gegen die Herde‹ stellt, tritt sie auch deutlich im Durchspielen des sozialen und medialen Shitstorms gegen Tara zutage. Den spielt sie tatsächlich sehr realistisch durch, bis hin zu Taras Interview, von dem sie berufsbedingt eigentlich genau weiß, dass es das Schlimmste ist, worauf sie sich einlassen kann. Doch die Verzweiflung schlägt ihre Expertise und der Boulevard nimmt das freudig auf. Cows demonstriert auf eindrückliche Weise, wie tiefgreifend Gesellschaft und Medien einen Menschen aus Sensationsgier und Heuchelei zerstören kann. Das tut über weite Strecken auch beim Lesen sehr weh.
Cows demonstriert aber auch, wie sich Menschen (in dem Fall Frauen), so unterschiedlich und gegensätzlich sie auch sind, gemeinsam aus dem Abgrund ziehen können. Dass es lohnt, für sich und andere einzustehen. Dass Individuen eben Individuen sind und ihren eigenen Weg gehen dürfen. Und dass die Individualität akzeptiert werden muss, jedenfalls solange sie anderen nicht schadet. Lustigerweise bin ich, während ich die Rezension vorbereitet habe, auf einige negative Rezensionen gestoßen, die sich im Prinzip alle offen darauf stützen, dass die Verfasser*innen sich nicht mit den Hauptfiguren identifizieren konnten, weil sie ihr Verhalten abstoßend fanden. Besonders im Hinblick auf Cam wurde da quasi genau das vorgeworfen, dem sie sich auch im Buch entgegen stellt. Das hat für mich schon eine gewisse Ironie und zeigt, wie nötig Geschichten dieser Art immer noch sind.
Cows ist ein tolles, ein starkes Buch. Es kann sensibilisieren und es kann Mut machen. Und das weit über die offenbare Zielgruppe – dem habe ich ja schon einen eigenen Blogpost gewidmet – hinaus. Schade, dass es genderadvertised wird. Manch einem Mann könnte es durchaus auch den Horizont erweitern.
Transparenzblock: Diese Rezension ist auch auf meinem Profil bei mojoreads (Werbung) erschienen. mojoreads versteht sich als social bookstore und beteiligt seine User am Erlös aus Buchverkäufen, die u.a. auf ihre Rezensionen zurückgehen. Wenn du das Buch kaufen willst, würdest du mir eine Freude machen, wenn du es über meine dortige Rezension (Werbung) kaufst. Bedankt 🙂
Todesspiel im Hafen – Sommerfeldt räumt auf (von Klaus-Peter Wolf)
Autor: Klaus-Peter Wolf
Erschienen: 2019
Seiten: 384

Nach seiner Verhaftung sitzt der Serienmörder Dr. Bernhard Sommerfeldt in der JVA Meppen. Er genießt große Aufmerksamkeit, denn Medien und Gesellschaft sind landesweit alles andere als durchgehend von seiner Schuld überzeugt oder gar angewidert. Im Gegenteil, seine Fans – es sind nicht wenige – halten fest zu ihm.
Sein Werk sieht er aber alles andere als abgeschlossen an. Während seine ausführlichen Aufzeichnungen veröffentlicht werden, muss er aus der Haft entkommen und seinen Weg zu Ende gehen. Doch das ist gar nicht so einfach, denn ein weiterer Spieler tritt auf das Feld.
Todesspiel im Hafen ist der dritte und letzte Teil der Sommerfeldt-Trilogie von Klaus-Peter Wolf. Das Buch erschien 2019 bei FISCHER und umfasst 384 Seiten.
Wie aus den früheren beiden Sommerfeldt-Bänden gewohnt und ansonsten recht ungewohnt, ist auch der letzte Teil der Trilogie aus der Täterperspektive geschrieben und gibt damit einen spannenden und tiefen Einblick in seine Beweggründe. Klaus-Peter Wolf verwendet viel Raum darauf, Sommerfeldts Gedanken auszuführen und Sommerfeldt ist ein Charakter, der sich sehr viele Gedanken macht. Das kann spannend sein, aber auch leicht in die Langatmigkeit abgleiten.
Leider passiert Wolf genau das über fast die gesamte erste Hälfte des Buches, wodurch es für mich auch zum schwächsten Teil einer an sich stark gestarteten Trilogie wird. Sehr viel von dem, was Bernhard Sommerfeldt in der ersten Hälfte denkt und über sich preisgibt, kannte ich schon aus den anderen Bänden. Durch das ganze Buch hinweg ziehen sich wieder die Vorwürfe besonders an seine Mutter. Die sind zwar einer seiner maßgeblichen Beweggründe, das ist klar, allerdings wiederholen sie sich auch schon sein Band 1 im nahezu gleichen Wortlaut. Gleichzeitig bewegt sich in der Handlung nicht allzu viel. Eine Art Spannungskurve startet im Prinzip erst mit dem Ausbruch aus der JVA, da ist aber das Bergfest schon fast gefeiert.
Um so erfreulicher geht es danach aber weiter. Die Handlung nimmt an Fahrt auf, Wolf findet die Ausgewogenheit wieder, die die beiden anderen Sommerfeldt-Bände so gut gemacht hat. Am Schluss spitzt sich die Story zu und gelangt zu einem recht unerwarteten Abschluss, der allerdings Sinn macht, wenn man weiß, dass die Figur Bernhard Sommerfeldt in Zukunft wieder in die Ann Kathrin Klaasen-Reihe, der sie einst entsprang, zurückgegliedert werden soll. Möglicherweise ist dafür nun auch der richtige Zeitpunkt gekommen, denn viel neue Täterpsyche bleibt wohl nicht mehr übrig.
Auch fehlt mir in diesem Band ein wenig die Tiefe der Nebencharaktere, die sonst so typisch für Wolf ist. In viele Figuren konnte ich mich nicht reinfühlen, das gelingt mir normalerweise eigentlich sehr leicht. Allerdings spielen die meisten Nebenfiguren auch nur recht kurze Rollen, so dass es, in Verbindung mit der Sommerfeldt-Perspektive, ohnehin schwer ist, sie mit Tiefe zu füllen. Das ist ein bisschen schade, aber kein Beinbruch.
Todesspiel im Hafen ist abschließend ein Trilogiefinale, das mich nicht ganz glücklich zurück lässt. Allerdings ist die Trilogie ja lediglich eine Ausgliederung und insofern nicht abgeschlossen, so dass wenigstens die Figur Bernhard Sommerfeldt noch zu einem gelungenen Abschluss kommen kann. Ich bin gespannt, wie Wolf das in der Ann Kathrin Klaasen-Reihe weiterführen wird.
Sommerfeldt
Transparenzblock: Diese Rezension ist auch auf meinem Profil bei mojoreads (Werbung) erschienen. mojoreads versteht sich als social bookstore und beteiligt seine User am Erlös aus Buchverkäufen, die u.a. auf ihre Rezensionen zurückgehen. Wenn du das Buch kaufen willst, würdest du mir eine Freude machen, wenn du es über meine dortige Rezension (Werbung) kaufst. Bedankt 🙂
›Frauenbücher‹ oder Bücher über starke Frauen
Ich lese gerade mal wieder einen Zufallsfund, den ich mir eigentlich nur besorgt habe, weil ich mir mein Bild über Bücher selten ernsthaft aus Klappentexten bilde. Wäre das anders, würde ich mehr auf Klappentexte geben, hätte ich das Buch wahrscheinlich nicht in Betracht gezogen, was mich, je weiter ich lese, wieder mal aufregt.
Das Buch – es geht gerade offensichtlich um Cows von Dawn O’Porter – handelt, um der Rezension nicht zu viel vorweg zu nehmen, grob von ein paar starken Frauen, die sich gegen traditionelle Konventionen und die Masse stellen. Das Buch ist gut, gut geschrieben und bis dato gut konzipiert. Und es stellt Figuren in den Vordergrund, die in einer immer noch männlich dominierten Welt, mit den Problemen, die sich auch dadurch für viele ergeben (Stichwort alleinerziehende Mütter, traditionelles Familienbild, Sexismus etc.), offensiv umgehen. Als Penisträger mag ich solche Bücher durchaus, denn sie erweitern das Blickfeld.
Da gibt’s nur ein kleines Problem: Als Penisträger ist man offensichtlich nicht Zielgruppe solcher Bücher – jedenfalls wenn es nach den Verlagen geht, die (meist) Autorinnen sehen das sicher ganz anders. Auf irgendeine von zahlreichen Arten wird das implizit auf den Eyecatcher-Flächen immer suggeriert, wenn es um starke Frauen geht. Sei es ganz offensichtlich wie im aktuellen Fall – letzter Absatz im Klappentext »Ein Buch für Frauen …« – oder etwas subtiler, beispielsweise durch die Auswahl der Pressestimmen auf dem Klappentext oder online in Verlagspräsentationen. Wenn da die Freundin und die Brigitte zitiert werden und ausschließlich die, wessen Aufmerksamkeit soll das Buch wohl wecken?
Ernsthaft: Warum muss das so sein? Sollen Bücher über starke Frauen wirklich nur Frauen erreichen und ihnen demonstrieren, was sie erreichen können, wenn sie nur ein bisschen selbstbewusster auftreten? Wäre es nicht viel einfacher, parallel dazu Männer zu sensibilisieren? Was macht eine Geschichte über ein paar Frauen, die sich über Konventionen hinwegsetzen oder gegen Missstände ankämpfen, meist einhergehend mit der Entwicklung einer ergreifenden Freundschaft, zu expliziter Frauenliteratur? Ein Roman über ein paar Männer, die sich gegen die Schließung ihrer Kultkneipe im gentrifizierten Viertel engagieren, würde doch auch nicht ausschließlich mit Pressestimmen aus Men’s Health und Playboy beworben, ganz im Gegenteil. Erst Recht würde kein Satz »Ein Buch für Männer …« auf dem Umschlag stehen.
Ich will jetzt sicher Pressestimmen von Frauenzeitschriften nicht von Klappentexten verbannen, genauso wenig will ich das Metagenre Frauenliteratur abschaffen. Es gibt Genres, die auf die eine oder andere Art recht eindeutig eher weibliche Interessen bedienen. Das ist gut so und mich muss nicht jedes Buch ansprechen. Aber muss ausgerechnet gesellschaftskritische Belletristik, die sich gegen traditionelle Rollenbilder stellt, in die Sparte geschoben werden? Nutzt das irgendwem? Könnte man mit dem Potenzial, das diese Werke inne haben, nicht viel mehr erreichen, wenn man es zielgruppenmäßig voll auszuschöpfen versuchen würde? Und trägt ein solches Labeling nicht vielleicht sogar dazu bei, dass starke Frauen und sog. ›Frauenthemen‹ in einer immer noch männlich dominierten Welt als ebensolche belächelt werden? Schließlich scheinen sie ja, glaubt man der Werbung, nur für Frauen relevant zu sein.
Die Peer Gynt Papers (von Rainer Doh)
Autor: Rainer Doh
Erschienen: 2019
Seiten: 395

2013 entdeckt ein norwegisches Explorationsschiff ein riesiges Erdgasvorkommen in der Barentssee. Fünf Jahre später wird Ole Ludvigsen, ein politisch aufstrebender Wirtschaftsanwalt, ermordet in einem Züricher Bordell aufgefunden. Die norwegische Politik tritt auf den Plan, schickt Arne Jakobson als Kontaktbeamten in die Schweiz. Doch das ist nur sein offenkundiger Auftrag, denn Ludvigsen hatte brisante Dokumente bei sich, die Politik und Energiewirtschaft in Norwegen unbedingt zurück haben müssen. Sie betreffen das riesige Gasvorkommen in der Barentssee, das Peer Gynt Feld. Und wer mit den Dokumenten in Kontakt kommt, verkürzt seine Lebenserwartung erheblich. In einem Sumpf aus Spitzenpolitik, Wirtschaft und Geheimdiensten muss Arne den mysteriösen Fall lösen.
Die Peer Gynt Papers ist der dritte Band in Rainer Dohs Reihe über den norwegischen Kommissar Arne Jakobson. Das Buch erschien 2019 bei Parlez und umfasst 395 Seiten. Als Taschenbuch kommt es mit Klappenbroschur.
Rainer Doh liefert mit den Peer Gynt Papers einen spannenden Norwegenkrimi, irgendwo im Feld von Politik und Wirtschaft. Sein Kommissar Arne Jakobson ist ein sympathischer Charakter vom Lande, er verleiht ihm Tiefe. Auch abseits des Helden finden sich zahlreiche sympathisch gezeichnete Figuren – auf allen Seiten. Thore Moberg beispielsweise, als skrupelloser Baulöwe mit Hang zum kriminellen Milieu eingeführt, zeigt von diesen Eigenschaften nicht allzu viel. Sogar Terje Sjølund, Inbegriff des manipulativen, machtgeilen Strippenziehers im Hintergrund, ist auf eine merkwürdige Weise sympathisch, weil Doh seinen Charakter weitgehend in sich stimmig zeichnet.
Neben den Figuren lebt ein Krimi aber vor allem von der Tiefe seines Falls, was Doh erfreulich gut gelingt. Er schafft es, bis zum Schluss offen zu lassen, worum es im Kern überhaupt geht. Sicher, man bekommt mit der Story zunehmend ein Bild. Doch auf der einen Seite ist das so verworren und wird immer verworrener. Auf der anderen Seite löst er bis kurz vor dem Schluss nicht auf, worum es sich bei den ominösen Dokumenten, hinter denen alle Parteien so energisch herjagen, überhaupt geht. So ausgeprägt habe ich das selten erlebt. Es gibt zwar vage Andeutungen, die lassen aber keinen konkreten Schluss zu.
Leider finde ich an der Stelle aber auch meinen einzigen Kritikpunkt an den Peer Gynt Papers. Die Geschichte wird am Ende so verworren, dass mir nicht klar wurde, was denn nun genau geschah und ob der Fall letztendlich aufgeklärt wurde. Doh lässt am Ende zahlreiche Charaktere ihre Sicht der Dinge, ihre Erlebnisse und Vermutungen, ja auch vermeintliche Sicherheiten, erzählen, so dass zahlreiche mögliche Hergänge sowohl für den Fall als auch für das gesamte Intrigengeflecht möglich werden. Welcher davon nun der Realität entspricht oder ob es ein Mix aus mehreren ist, das wurde mir leider nicht ersichtlich. Wenn das so geplant war, ist es ein Lob wert, denn dem Geflecht an sich wird ein solches Ende durchaus gerecht. Wenn es aber eine Auflösung geben sollte, konnte jedenfalls ich sie nicht ausmachen.
Das soll es in Sachen Kritik aber auch schon sein, denn neben dem spannenden und komplexen Fall ist Die Peer Gynt Papers auch wirklich unterhaltsam geschrieben. Rainer Doh glänzt immer wieder mit Wortwitz und absurd komischen Situationen. Arnes Rolle als vermeintliches Landei (landläufig »Troll«) spielt er auf wunderbare Weise dahingehend aus. In einem an sich schon absurd komischen Kapitel lässt Doh auch noch einen ›Louis de Funès‹-Gedächtnissketch einfließen, da musste ich mich doch sehr zusammen reißen.
Im Großen und Ganzen ist Die Peer Gynt Papers ein spannender und recht komplexer Krimi mit sympathischen Charakteren und einer sehr angenehmen Schreibe. Die beiden älteren Bände der Reihe werde ich nach der Erfahrung wohl auch auf meinen Wunschzettel setzen, denn gerade Arne gefällt mir als Protagonist sehr gut.
Arne Jakobson
Transparenzblock: Diese Rezension ist auch auf meinem Profil bei mojoreads (Werbung) erschienen. mojoreads versteht sich als social bookstore und beteiligt seine User am Erlös aus Buchverkäufen, die u.a. auf ihre Rezensionen zurückgehen. Wenn du das Buch kaufen willst, würdest du mir eine Freude machen, wenn du es über meine dortige Rezension (Werbung) kaufst. Bedankt 🙂
Transparenzblock: Das Buch habe ich im Rahmen einer Buchverlosung über LovelyBooks als Rezensionsexemplar kostenfrei erhalten. Verpflichtungen (beispielsweise eine »wohlwollende« Rezension), abgesehen von Beteiligung an der Leserunde und eben einer Rezension, habe ich dabei keine. Meine Meinung über das Buch, die ich hier kund tue, wird dadurch nicht beeinflusst.
Rezension: Jahre des Jägers (von Don Winslow)
Autor: Don Winslow
Erschienen: 2019
Seiten: 992

Art Keller hat sich mit Marisol zur Ruhe gesetzt. Adán Barrera starb im Dschungel von Guatemala, damit endete sein privater Teil des Drogenkrieges. Doch der lässt ihn nicht los. Als Adáns Leiche gefunden wird und somit endgültig feststeht, dass das Sinaloa-Kartell kopflos ist, rückt die dritte Generation nach, um ihre Machtansprüche geltend zu machen. Der brüchige Frieden, für den Adáns Führung garantierte, löst sich in Luft auf, Mexiko wird wieder mit Blut getränkt.
Unterdessen reaktivieren die USA Art und machen ihn zum Direktor der DEA. Er will die Strategie der Behörde umkrempeln, denn der bisherige Krieg gegen die Drogen muss als gescheitert angesehen werden. Doch das gestaltet sich in einer Zeit, in der neurechte Hardliner die mexikanische Grenze am liebsten abriegeln wollen, schwieriger denn je. Und ebendiese Hardliner schicken sich an, das Weiße Haus zu übernehmen.
Jahre des Jägers ist der dritte und letzte Teil in Don Winslows Trilogie über den US-amerikanischen Krieg gegen die Drogen. Das Buch erschien 2019 bei Droemer und umfasst stolze 992 Seiten.
Jahre des Jägers schließt chronologisch an Das Kartell an und umfasst damit die letzte Zeit der Obama-Präsidentschaft, den Wahlkampf 2016 und die erste Zeit der Trump-Präsidentschaft. Don Winslow bleibt hier nahe an der Realität der Charaktere. Im Gegensatz zu Obama taucht Donald Trump im Buch nicht namentlich auf, allerdings ist eindeutig, für wen Präsident Dennison steht. Winslow geht hier so weit, dass er, insbesondere im Wahlkampf und darüber hinaus die Mauer zu Mexiko betreffend, Originalreden und -tweets von Donald Trump zitiert. Auch sein Schwiegersohn Jared Kushner bekommt als Jason Lerner eine zentrale und eindeutige Rolle.
Nicht nur unter dem Gesichtspunkt, besonders nah am aktuelles Weltgeschehen zu sein, ist Jahre des Jägers für mich der wirkmächtigste Teil der Trilogie. Winslow steigert sich gegenüber Das Kartell auch noch einmal, indem er Opfern am untersten Ende der Nahrungskette des Drogengeschäfts zentrale Rollen gibt. Eindrücklich ist beispielsweise die Geschichte des kleinen Nico, der mit seiner besten Freundin die Flucht vor den Gangs in Guatemala antritt, es tatsächlich bis in die USA schafft, nur um dort durch die gleichen Gangs und das System in die Drogenkriminalität gezwungen zu werden. Oder die Geschichte von Jaqui, einer jungen Heroinsüchtigen, die sich zwischen Rausch und Entzug irgendwie durchs Leben schlägt.
Jahre des Jägers ist auch der offen politischste Teil der Trilogie. Gab es in den beiden anderen Bänden hauptsächlich implizite Kritik an der US-amerikanischen Drogenpolitik, zieht sich diese im dritten Band ganz explizit durch die gesamte Geschichte. Winslow spielt ein globales System der Vernetzung von Kartellen, Banken, Immobilienwirtschaft und Politik durch, das gemeinsam von Drogenhandel und -politik profitiert und daher überhaupt kein Interesse daran haben kann, die bestehenden Zustände zu ändern. Die Verflechtungen der aktuellen US-amerikanischen Administration, die dabei kaum besser als die langjährig gerügten mexikanischen Administrationen davon kommt, liegen nahe und werden dementsprechend schonungslos kritisiert.
Dabei jedoch bleibt es mit der expliziten Kritik nicht. Winslow widmet sich beispielsweise auch ausgiebig der Migrationspolitik und ihrer Profiteure. Anhand von Nicos Fluchtgeschichte zeigt er auf, wie die Privatwirtschaft von restriktiver Migrationspolitik profitiert, wie sich ein System, in dem Geflüchtete kriminalisiert und in die Kriminalität gezwungen, um dann in privatwirtschaftlich geführten Gefängnissen und Auffangeinrichtungen untergebracht zu werden, selbst trägt und kaum ein Interesse entwickeln kann, eine humanere und integrativere Agenda zu forcieren. Das Leid und die Ausweglosigkeit, die dieses System produziert, demonstriert Winslow eindrücklich.
Im Zentrum all dessen steht selbstverständlich Art Keller, der seinen letzten Kampf kämpfen muss: Den gegen das System. In einer Mischung aus Held und manchmal Antiheld, denn sauber war sein persönlicher Krieg ja oftmals nicht und auf dieser Basis erpresst ihn die Dennison-Administration nun, startet er als DEA-Direktor eine letzte Offensive gegen das ganze Netzwerk. Freunde macht er sich damit wenige – erst Recht in Zeiten, in denen jeder für seine Zukunft unter Dennison sorgen muss – dafür neue mächtige Feinde. Neben den Kartellen rückt ihm nun auch die (designierte) US-Administration auf die Pelle, seine Unterstützer in einflussreichen Positionen werden täglich weniger. Das hält ihn aber nicht davon ab, in einer letzten großen Schlacht reinen Tisch zu machen.
Jahre des Jägers ist ein wirkmächtiger Abschluss der Trilogie. Oftmals werden Fortsetzungen ja leider weniger stark als ihre Ursprünge, hier ist das ganz anders. Winslow ist es gelungen, sich mit jedem Band, auf einem hohen Niveau startend, noch weiter zu steigern, um die Trilogie mit einem gewaltigen Finale zu beenden. Das mag mit am noch frischen Realitätsbezug liegen, zweifellos aber auch an der Botschaft, die er vermitteln will. Jahre des Jägers ist ein Statement, ein flammender Appell gegen die kriminalisierende Drogenpolitik und Tage der Toten und Das Kartell haben auf diesen Appell hingearbeitet, um in einem runden, umfassenden Finale zu gipfeln. Derart gelungen sieht man das nicht so oft.
Nun aber genug der Worte, ich will ja nicht alles vorweg nehmen. Die Art Keller-Trilogie sollte man auf jeden Fall lesen, wenn man sich im Genre oder dem Thema wiederfindet. Es erwarten einen für drei Bücher zwar verhältnismäßig viele Seiten, aber keine davon ist überflüssig. Ganz im Gegenteil, vieles in der Geschichte hätte noch auf deutlich mehr Seiten ausgedehnt werden können, ohne an Spannung zu verlieren. Eine wirklich runde Sache.
Art Keller
Transparenzblock: Diese Rezension ist auch auf meinem Profil bei mojoreads (Werbung) erschienen. mojoreads versteht sich als social bookstore und beteiligt seine User am Erlös aus Buchverkäufen, die u.a. auf ihre Rezensionen zurückgehen. Wenn du das Buch kaufen willst, würdest du mir eine Freude machen, wenn du es über meine dortige Rezension (Werbung) kaufst. Bedankt 🙂
Kurzbio

Thomas liest, schreibt drüber, ist von der Menschheit im Allgemeinen genervt und schreibt auch mal da drüber.
Letzteres tut ihm jetzt schon Leid, ersteres nicht.
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