Rache und roter Schnee (von Elias Haller)
Autor: Elias Haller
Erschienen: 2015
Seiten: 394

Nach den traumatischen Erlebnissen um seinen Ex-Partner Jeff Balthasar möchte Kriminalhauptkommissar Erik Donner nur noch zurück zur Mordkommission. Doch die Chefetage schiebt ihn noch weiter aufs Abstellgleis. Unter dem Vorwand einer Chance soll er die Einsatzleitung beim Weihnachtsmarkt übernehmen. Ein potenziell unspektakulärer Job, der offenbar so wenig Qualifikation erfordert, dass man ihn sogar Donner zutraut.
Kaum in seinem Auftrag angekommen, überschlagen sich jedoch die Ereignisse. In einem Geschenkesack wird die übel zugerichtete Leiche eines Mannes auf dem Weihnachtsmarkt gefunden. Verdächtige gibt es viele, aber der Täter hinterlässt kaum Spuren. Donner und die Polizei tappen im Dunklen, da geschieht schon der nächste grauenhafte Mord. Und plötzlich ist auch die Polizei in großer Gefahr.
Rache und roter Schnee ist der zweite Teil in Elias Hallers Thrillerreihe Erik Donner. Das Buch erschien 2015 im Selbstverlag und wird seit 2018 bei Edition M, einem Imprint von Amazon Publishing, verlegt. Der Thriller umfasst 394 Seiten, die sich in 73 recht kurze Kapitel gliedern.
Der zweite Band der Reihe schließt kurze Zeit nach dem ersten an die Handlung an. Donner fristet weiter sein Dasein in der Polizeilichen Erstkontaktstelle. Der Chemnitzer Weihnachtsmarkt steht vor der Tür und Donner soll dort die Einsatzleitung übernehmen – ein Job, der ihm weder liegt noch gefällt. Ein weiterer Schritt auf dem Weg in die sprichwörtliche Besenkammer in irgendeinem Kellerarchiv. Doch der Weihnachtsmarkt verläuft ganz anders als erwartet. Ein Serienmörder arrangiert ein Opfer nach dem anderen, die Besucher sind in Angst, die Veranstaltung droht zur Katastrophe zu werden. Die Opfer stehen scheinbar in keinem Zusammenhang und der Täter geht sehr professionell vor. Und Donner kann den Fall natürlich nicht seinen Ex-Kollegen von der Mordkommission überlassen.
Rache und roter Schnee ähnelt im Aufbau dem ersten Band. Haller konstruiert einen erneut einen verworrenen Fall, Spannung ist vorprogrammiert. Neben der Haupthandlung in der Gegenwart springt er in regelmäßigen Abständen in die Vergangenheit, wo die Kindheit des Täters erzählt wird – jedoch ohne die Identität des Täters dabei zu enthüllen. Einmal mehr führt er seine Lesenden dabei in tiefe Abgründe der Menschen. Vorhersehbar wird der Thriller bis zum großen Finale – das wirklich ein rasantes ist – nicht. Mit Nebenhandlungen lenkt Haller den Blick immer wieder in Sackgassen.
Analog zum ersten und siebten Band komme ich auch bei Rache und roter Schnee nicht umher, Kritik zu üben. Das einseitige Lokalkolorit lasse ich hier mal außen vor, dazu habe ich eigentlich genug gesagt. Was mir in diesem Band noch ein wenig saurer aufgestoßen hat, ist diskriminierende Sprache. Haller schreibt den Thriller aus der Sicht einer Art allwissendem Erzähler, streut aber auch direkte Gedanken der jeweils handelnden Figuren ein. Die sind zumeist kursiv gesetzt und so klar erkennbar. Ich bin mir allerdings nicht sicher, ob das tatsächlich auf alle Gedanken zutrifft, gehe aber aufgrund der Textauszeichnung davon aus. Das Problem dabei ist, der allwissende Erzähler übernimmt die diskriminierende Sprache mancher Figuren. So bezeichnet Donner einen körperlich Behinderten beispielsweise als »Quasimodo« oder spricht abfällig über einen scheinbar geistig Behinderten. Das finde ich nicht gut, weil ich diskriminierende Sprache grundsätzlich nicht gut finde, allerdings kann ich hier akzeptieren, dass es eben der Charakter ist, der in dieser Hinsicht unsympathisch ist. Das ist für mich insoweit in Ordnung, als dass es nun mal einen Teil der Realität spiegelt, die mir zwar nicht gefällt, die zweifellos aber realitätsabbildend ist. Lange Rede, kurzer Sinn, das ist quasi das, was mir hinsichtlich rechter Alltäglichkeiten fehlt.
Problematisch wird es für mich aber, wenn der Erzähler die Diskriminierungen übernimmt. Der körperlich Behinderte wird beispielsweise auch vom Erzähler mehrfach »Quasimodo« genannt. In dem Fall fällt es mir schwer, die Diskriminierung noch einer fiktiven Figur zuzuschreiben, sie fällt stattdessen auf den Autor zurück. Das kann zwar auch die Realität wiederspiegeln, allerdings auf ungewollte Weise, weil sich der Autor dann entweder verplappert hat oder den Fehler nicht mal bemerkt – beides gleichermaßen problematisch. An der Stelle wird diskriminierende Sprache legitimiert und das möchte ich wirklich nicht.
Eine Randnotiz bleibt da fast die in der Übersetzung verharmlosende Verwendung des Wortes »Pädophilie« für eindeutig pädosexuelle Kriminalität. Allerdings ist die Debatte um die Begrifflichkeiten schon alt und leider im offiziellen Sprachgebrauch bis heute nicht geregelt. Da muss ich das wohl hinnehmen.
Das war nun viel Kritik, die soll aber nicht darüber wegtäuschen, dass Rache und roter Schnee ohne Augenmerk auf diese sprachlichen Geschichten wieder ein sehr unterhaltsamer Thriller ist. Da ich, was sprachliche Spitzfindigkeiten angeht, sicher eine niedrigere Frustrationsschwelle als die Masse habe, wird das Buch wohl von der Handlung her allgemein eher gefallen. Denn Thriller schreiben kann Haller, das beweist er hier erneut. Die Handlung ist gut konzipiert und umgesetzt, die Charaktere, insbesondere die bekannten, mit ihren Problemchen und Schrullen weitgehend sympathisch. Rache und roter Schnee hat aus dem Blickwinkel des Unterhaltungswerts alles, was ein guter Thriller braucht.
Insofern werden wohl auch alle Freunde Erik Donners und viele Thrillerliebhaber ein spannendes Buch an die Hand bekommen. Wer mit expliziten Tatbeschreibungen oder allgemein Kindesmissbrauch, Vergewaltigung, Folter u.ä. nicht so gut klar kommt, sollte aber die Finger von dem Buch lassen. Aber Teile davon treffen wahrscheinlich sowieso auf jeden Donner zu.
Erik Donner
Tod und tiefer Fall (von Elias Haller)
Autor: Elias Haller
Erschienen: 2015
Seiten: 348

Kriminalhauptkommissar Erik Donner ist am Tiefpunkt seines Lebens angekommen. Seine Tochter ist tot, seine Frau verschwunden. Beruflich ist er aus der Mordkommission aufs Abstellgleis ›befördert‹ worden. Zudem stürzte er bei der Verfolgung seines ehemaligen Partners vom Dach und ist nun schwer entstellt. Kurzum, Erik Donner ist am Ende.
Da erhält er plötzlich Nachrichten, die es nicht geben dürfte. Jeff, der ehemalige Partner, scheint Rache an ihm nehmen zu wollen. Doch das ist unmöglich – Jeff starb an jenem schicksalhaften Tag auf dem Dach. Nun aber mordet er scheinbar auf grauenvollste Weise und kommt Donners Umfeld dabei immer näher.
Tod und tiefer Fall ist der erste Band in Elias Hallers Reihe um den sächsischen Kriminalhauptkommissar Erik Donner. Der Thriller erschien 2015 im Selbstverlag und wird seit 2018, wie der Rest der Reihe, bei Edition M, einem Imprint von Amazon Publishing, verlegt. Das Buch umfasst 348 Seiten, die sich in 70 recht kurze Kapitel gliedern.
Ich möchte positiv beginnen: Tod und tiefer Fall ist technisch und inhaltlich ein toller Thriller. Elias Haller gelingt es problemlos, die Spannung über das gesamte Buch hinweg aufrecht zu erhalten. Der Ausgang der Geschichte ist sehr lange nicht vorhersehbar und sie ist verdreht genug ausgearbeitet, um zu fesseln. Dazu tragen sicherlich die Figuren ihren Teil bei, die wohl als kauzigste Polizeidirektion des Landes in die Annalen eingehen könnten. Unsympathisch werden sie dadurch nicht, sie sind auf eine angenehme Weise kauzig.
Das Buch spielt, so meine ich anhand der Handlungsorte kombiniert zu haben, in Chemnitz. Das ist nun nicht das leichteste Pflaster für Lokalkolorit, jedenfalls will man die lokale Grundstimmung vollständig wiedergeben. So fällt auf, allerdings in wesentlich geringerem Maße, was ich schon in meiner Rezension zu Tod und kein Erbarmen bemängelte: Es gibt eine Diskrepanz zwischen positivem und negativem Lokalkolorit – negatives fehlt weitestgehend. Das betrifft insbesondere das rechte Grundrauschen in weiten Teilen der sächsischen Gesellschaft. Das ist schade, denn Ignorieren – und sei es nur in der Unterhaltungsliteratur – hilft da auch wenig. Es geht allerdings schlimmer, dazu werde ich in meiner Rezension zu Rache und roter Schnee kommen.
Wer Regionalliteratur alleine unter Unterhaltungsgesichtspunkten liest, wird sich daran nicht stören. Unterhaltsam und spannend ist Tod und tiefer Fall allemal. Dafür sorgt auch Hallers Wissen aus dem Arbeitsalltag eines Polizisten. Auch wenn Fall und Figuren fiktional sind, gewisse Abläufe entsprechen der Realität und verleihen der Handlung Authentizität. Daneben tragen die vielen recht kurzen Kapitel zu einem gewissen Tempo bei, das der Spannung sehr zuträglich ist. Und der eine oder andere Cliffhanger steuert seinen Teil dazu bei. Als Auftakt der Reihe macht der Thriller einen guten Job, durch die Rahmenhandlung um Erik Donner wird auf jeden Fall Lust auf mehr geweckt.
Tod und tiefer Fall ist ein spannender Regionalthriller mit leichten Abzügen in der B-Note. Unter Unterhaltungsgesichtspunkten aber in jedem Fall eine Empfehlung. Es tut aber nicht weh, die eine oder andere Stelle kritisch zu lesen.
Erik Donner
Die Letzten ihrer Art (von Maja Lunde)
Autor: Maja Lunde
Erschienen: 2019
Seiten: 640

St. Petersburg, 1881. Der Zoologe Michail erhält den Schädel eines Wildpferdes. Er meint, darin ein Takhi, ein ausgestorben geglaubtes Urpferd, zu erkennen. Gemeinsam mit dem deutschen Abenteurer Wilhelm Wolff begibt er sich auf eine Expedition in die Mongolei.
Mongolei, 1992. Tierärztin Karin und ihr Sohn Matthias bauen Forschungsstation auf. Karins Lebensaufgabe: Das Takhi, das nur noch in Zoos lebt, wieder auszuwildern. Verfallen ist sie den Tieren im Zweiten Weltkrieg auf dem Anwesen Hermann Görings. Die Probleme ihres Sohnes machen es ihr nicht immer einfacher.
Norwegen, 2064. Die Klimakrise hat sich verschärft. Weite Teile Europas sind zusammengebrochen, wer kann, flieht nach Norden. Eva und ihre Tochter Isa verharren auf ihrem Hof, wo Eva alles tut, um die letzten Takhis, die sie noch beheimatet, zu retten. Geplagt von Mangel und Hunger drängt Isa ihre Mutter, endlich gen Norden zu ziehen, da taucht plötzlich Louise in ihrem Leben auf.
Die Letzten ihrer Art in der dritte Teil in Maja Lundes Klimaquartett. Das Buch umfasst 640 und erschien 2019 bei btb, einem Imprint von Random House.
Um das mal vorweg zu nehmen: In Die Letzten ihrer Art lässt Maja Lunde eine ganze Menge Pferde sterben und man ist immer hautnah dabei. Ich hab’s da wie mit Hunden, das geht mir immer ziemlich nah.
Wie schon im ersten Teil des Klimaquartetts widmet Maja Lunde den dritten wieder einer spezifischen Art: Dem Przewalski-Pferd oder Takhi, einem mongolischen Urpferd, das lange Zeit als ausgestorben galt. Ende des 19. Jahrhunderts wurde es wiederentdeckt und in zahlreichen europäischen Zoos angesiedelt. So wurde die Art in Gefangenschaft langsam wieder aufgebaut. Seit den 1990er Jahren laufen diverse Programme, um das Takhi wieder in seinen ursprünglichen Lebensräumen auszuwildern. In mehreren meist Nationalparks und Schutzgebieten insbesondere in der Mongolei leben heute so wieder wilde Takhis.
Strukturell bleibt sich Maja Lunde treu. Die Letzten ihrer Art erzählt in drei zeitlich klar getrennten Handlungssträngen die Geschichte der Takhis über die Jahrhunderte. Der Michail-Strang wird dabei in einer Art Reisebericht, den er als Autor nach seiner Expedition veröffentlichen will, erzählt. Karin und Eva erzählen ihre Geschichten aus ihrer Perspektive, in Evas Strang finden sich zudem regelmäßig Briefe von Isa an ihren schon geflohenen Freund Lars. Die gesamte Handlung ist fiktional, die Stränge um Michail und Karin sind aber an historische Ereignisse angelehnt.
Ich bin mir nicht hundertprozentig sicher, aber es könnte sein, dass Lunde mit Louise, die im Zukunftsstrang auftaucht, die Geschichte von Lou aus Die Geschichte des Wassers weitererzählt. Von ihrem Hintergrund her könnte es passen, auch die betonte Erwähnung ihres Rucksacks spricht dafür.
Insgesamt erzählt Maja Lunde durch den Zukunftsstrang wieder eine recht dystopische Geschichte. Die Stimmung ist gerade hier beklemmend und von Hoffnungslosigkeit geprägt. Über allem schwebt die Entscheidung über die Flucht und damit wahrscheinlich das Ende der Tiere. Die beiden anderen Stränge, insbesondere der Michail-Strang, wirken dem entgegen, trotzdem bleibt am Schluss die Zukunft. Maja Lunde dreht das zum Schluss geschickt, so dass Die Letzten ihrer Art nicht ganz hoffnungslos endet.
Auch der dritte Band ihres Klimaquartetts ist wieder ein fein recherchiertes, lautes Plädoyer für ein drastisches Umdenken in unserem Umgang mit dem Klimawandel – und damit weiten Teilen unserer westlichen Lebensart. Maja Lunde schafft es, das mit leisen Tönen zu erreichen. Der Roman wirkt als Gesamtwerk, nicht durch laute Belehrungen. Ihre Botschaft erschließt sich implizit, ohne laut ausgesprochen werden zu müssen. Das alleine schon macht die Reihe für mich besonders wertvoll, weil sie auf diese Weise nicht belehrend oder rechthaberisch daher kommt. Die Debatte ist so vergiftet, da würde eine andere Vorgehensweise bei Zweiflern sofort abgeblockt. So aber gelingt ein Zugang zu einer ganz spezifischen Geschichte und über sie ein Blick auf das große Ganze.
Wie für die beiden Vorgänger, gibt es auch für Die Letzten ihrer Art eine klare Leseempfehlung. Das Buch ist einfühlsam geschrieben, detailreich recherchiert und gibt so einen Einblick in eine Welt, die schon geschah, und wo sie wohl enden wird, wenn wir unsere Lebensart nicht radikal überdenken. Ein toller Roman zur richtigen Zeit.
Klimaquartett
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25. Januar 2020
3:59 – läuft ja großartig. Wieder fast ein Monat ins Land gezogen, wieder war’s nichts mit der Ruhe. So langsam zwinge ich mich dazu, den Stapel Schreibarbeit mal abzuarbeiten. Rezensionen werden ja irgendwie auch nicht besser, je weiter sie vom Buch weg liegen.
Beim Alten ist hier leider noch nichts. Der schwesterliche Umbau läuft immer noch, was regelmäßig dazu führt, dass mein Schlaf vorzeitig abgebrochen wird. Das wirkt dann praktischerweise auch gleich auf meine Schreiblust. Und dann ist da ja noch der Verein, der sich gerade wieder von seiner besten Seite zeigt. Soll heißen, alles bleibt an mir hängen. Es ist ein ziemliches Elend gerade, und dann kommt mit Fasching auch noch der nächste große Vereinsbrocken auf uns zu. Ick freu mir.
Daneben, man merkt es hier regelmäßig an den Ladezeiten des Blogs, läuft der Server immer unrunder. Der Spam- und Virendienst des Mailservers hängt sich jetzt regelmäßig auf, ich bin langsam an dem Punkt, an dem ich die beiden Dienste doch aus dem Setup rauspfriemeln werde. Das wird ein Spaß! Das ist alles viel zu sehr miteinander verzahnt und ich weiß beim besten Willen nicht mehr, nach welcher Vorlage ich den Mailserver aufgesetzt hatte. Eigentlich kann das nur schief gehen.
Die Politik ist gerade die Politik. Ich hab selten in den letzten Jahren so wenig von ihr mitbekommen. Das ärgert mich, aber wenn ich mich damit jetzt auch noch beschäftigen würde, könnte ich mir wahrscheinlich schon mal einen Therapieplatz suchen. Spaß macht Politik in den letzten Jahren ja so gar nicht mehr – sogar als Zuschauer.
Ansonsten gehörte der Tag – Meine Damen und Herren, es sinkt für Sie: Das Niveau – der diesjährigen Staffel des Dschungelcamps. Die ging heute nämlich zu Ende. Prince Damien hat gewonnen und das versöhnt mich ein bisschen, nachdem Toni Trips und Elena Miras vorzeitig raus mussten. Er hat’s auf jeden Fall verdient, war ja schon von Anfang an einer meiner drei Favoriten. Jetzt kommen noch zwei Nachspiel-Shows, dann ist damit auch wieder Ruhe bis 2021.
Vorab: Im Netz des Lemming (von Stefan Slupetzky)
Autor: Stefan Slupetzky
Erschienen: 2020
Seiten: 200

Als der Lemming mit Mario, einem Freund seines Sohnes Ben, in der Tram sitzt, bekommt der Junge eine Nachricht, springt aus der Tram und von einer Brücke. Der Lemming versuchte noch, seinen Suizid zu verhindert, scheitert aber.
Traumatisiert von den Geschehnissen muss er schon am Folgetag feststellen, dass alles noch schlimmer kommen kann. Ein Shitstorm bricht über ihm ein, plötzlich ist er der Pädokriḿinelle, der den Jungen umgebracht hat. Gemeinsam mit seinem neuen Freund, dem suspendierten Chefinspektor Polivka, taucht er ein in eine Welt aus Sozialen Medien, Mobbing und Fake News.
Im Netz des Lemming ist der sechste Band in Stefan Slupetzkys Reihe über den Nachtwächter Leopold Wallisch, genannt Lemming. Der Kriminalroman umfasst 200 Seiten und erscheint am 01. Februar 2020 im Haymon Verlag.
Ich gebe zu, ich war ein wenig skeptisch, als ich Im Netz des Lemming bei NetGalley orderte. Wieder ein Buch mitten aus einer Reihe, die ich nicht kenne. Noch dazu ein österreichisches mit Spielort Wien. Bei Wiener Literatur bin ich immer ein bisschen voreingenommen: Es gibt so ein Stereotyp des Wieners, das sich zu gerne auch in der Literatur spiegelt. Immer ein bisschen borniert, immer ein bisschen was besseres, aber auf eine anstrengende Art und Weise. Das manifestiert sich irgendwie in allem. Der Sprache, der Art zu sprechen, dem typischen Wiener Dialekt, dem kommunizierten Selbstverständnis. Ich mag das nicht.
Stefan Slupetzky hat mich überrascht – und das nicht nur in dieser Hinsicht. Vom Stereotyp ist nichts zu sehen. Und was mir noch viel besser gefällt, Im Netz des Lemming ist hochpolitisch. Slupetzky lässt den Krimi in den realen Verhältnissen spielen, nimmt mehrfach und ausgiebig klar Stellung gegen die sog. Mitte-Rechts-Regierung ein – insbesondere die ÖVP kommt auch in der historischen Betrachtung nicht gut weg. Sein Szenario, organisiertes Mobbing von Rechts mit Fake News und Trollarmeen, könnte aktueller kaum sein und auch hier führt er fundiert in die Zusammenhänge ein. Das ist etwas, was mir bei deutschen Schreiberlingen sehr oft fehlt. Der alltägliche Einfluss von Rechts wird gerne im noch so sehr an die Realität angelehnten Szenario ausgeblendet. Zuletzt kritisierte ich das bei Elias Haller.
Inhaltlich liest sich Im Netz des Lemming sehr angenehm. Lemming selber ist ein gemütlicher Charakter, alte Schule, irgendwo in den Kinderschuhen der digitalen Revolution hängen geblieben. Polivka steht dem nur geringfügig nach. Die beiden bilden ein etwas kautziges, etwas abgelebtes, etwas renitentes Ermittlerduo, für das man sich schnell erwärmt. Lokalkolorit gibt es eine Menge, aber überwiegend dezent und nicht selten informativ. Insgesamt findet Slupetzky da eine sehr angenehme Mischung.
Auch strukturell ist der Kriminalroman angenehm dezent. Es gibt eine Spannungskurve mit Spitzen, die drängen sich aber nicht deutlich auf. Man bekommt nicht den Eindruck, jetzt sei Seitenzahl x erreicht, jetzt muss eine Spitze her. Insgesamt ist der Handlungsablauf sehr geschliffen, was der Lektüre umso besser tut. Slupetzky verzichtet auf Nebenhandlungen und konzentriert sich ganz auf die Ermittlungen seiner beiden Protagonisten.
Im Netz des Lemming ist ein toller Kriminalroman – mit 200 Seiten ein wenig kurz, aber trotzdem in sich sehr stimmig. Und ein bemerkenswert politisches Werk für das deutschsprachige Genre. Alleine für letzteres möchte ich das Buch schon wärmstens empfehlen. Der Rest der Lemming-Reihe ist auf jeden Fall auf meiner Leseliste gelandet.
Lemming
Transparenzblock: Diese Rezension ist auch auf meinem Profil bei mojoreads (Werbung) erschienen. mojoreads versteht sich als social bookstore und beteiligt seine User am Erlös aus Buchverkäufen, die u.a. auf ihre Rezensionen zurückgehen. Wenn du das Buch kaufen willst, würdest du mir eine Freude machen, wenn du es über meine dortige Rezension (Werbung) kaufst. Bedankt 🙂
Transparenzblock: Das Buch habe ich im über NetGalley als Rezensionsexemplar kostenfrei erhalten. Verpflichtungen (beispielsweise eine »wohlwollende« Rezension) sind damit, abgesehen von eben einer Rezension, nicht verbunden. Meine Meinung über das Buch, die ich hier kund tue, wird dadurch nicht beeinflusst.
Kurzbio

Thomas liest, schreibt drüber, ist von der Menschheit im Allgemeinen genervt und schreibt auch mal da drüber.
Letzteres tut ihm jetzt schon Leid, ersteres nicht.
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