Furcht: Trump im Weißen Haus (von Bob Woodward)
Autor: Bob Woodward
Erschienen: 2018
Seiten: 544

Der 8. November 2016 stellte einen politischen Wendepunkt für die USA dar. Mit Donald Trump wurde ein Kandidat ins höchste Amt gewählt, der wie kaum ein zweiter die Gesellschaft aktiv spaltet und daraus auch keinerlei Hehl macht.
Mit seinem Einzug ins Weiße Haus am 20. Januar 2017 flogen dort alle etablierten Abläufe über den Haufen. Es verging kaum Zeit, bis Informationen aus den engsten Kreisen belegten, welche Zustände nun herrschten: Ein Klima aus Angst, Sprunghaftigkeit, Unbelehrbarkeit und politischer Lähmung.
In Furcht porträtiert Journalistenikone Bob Woodward Wahlkampf und Präsidentschaft Donald Trumps bis etwa Ende des ersten Jahres. Das Buch erschien 2018 bei Rowohlt und umfasst 544 Seiten, die sich in 43 Kapitel gliedern.
Furcht erzählt das ganze Chaos, das im Weißen Haus unter der Trump-Präsidentschaft herrscht. Bob Woodward hat dazu einen enormen Rechercheaufwand betrieben – zahllose Interviews mit Beteiligten, Gesprächsprotokolle und Dokumente sind in die Arbeit am Buch eingeflossen. Das beschränkt sich nicht auf Querschützen aus den hinteren Reihen, Woodward hat Trumps Spitzenpersonal befragt. Das macht das Buch umso erschreckender.
Es zeichnet das Bild einer Präsidentschaft ohne übergeordnete Strategie, ohne einen Präsidenten, der sich von seinen Beratern beraten lässt, ohne Rücksicht auf protokollarische Abläufe – kurz, das pure Chaos an der Machtspitze der weltpolitisch maßgeblichen Nation. Dabei beschränken sich die Ursachen für diesen Zustand nicht auf Trump selber, auch wenn er großen Anteil hat. Zahlreiche der Personen in seinem engsten Kreis arbeiten rücksichtslos gegeneinander, um ihre Interessen durchzudrücken. Kein Job ist sicher, denn der Präsident hat seine vorgefertigten Meinungen, lässt sich von denen nicht abbringen und sein Verständnis von Loyalität, das auf ihm gegenüber vorbehaltlosem Ja-Sagertum basiert, hängt wie ein Damoklesschwert über der Arbeitsplatzsicherheit eines Jeden.
Mitte 2017 erschien unter dem Eindruck der ersten Monate von Trumps Präsidentschaft Sam Bournes Der Präsident. Damals konnte man sich wohl noch damit beruhigen, dass der Roman, in dem ein ›fiktiver‹ US-Präsident um ein Haar einen Atomkrieg auslöst, schon überspitzt sein muss. Ich hielt das Buch damals für visionär. Bournes Darstellung des von Vorurteilen, Selbstüberschätzung und extremistischen Beratern getriebenen Präsidenten passte einfach zu gut auf die Situation insbesondere um Trump und Bannon. Furcht bestätigt das leider. Woodward belegt, wie Trump die Weltpolitik alleine in seinem ersten Jahr mehrfach komplett ins Chaos hätte stürzen können, was wohl nur nicht geschah, weil ein paar wenige in seinem engsten Kreis seine Entscheidungen aktiv torpediert haben und er selber über eine zu geringe Aufmerksamkeitsspanne verfügt, als dass er das mitbekommen hätte.
Bemerkenswert ist, ganz im Gegensatz zu vielen anderen Veröffentlichungen über die aktuelle Präsidentschaft, dass Bob Woodward selber in Furcht weitestgehend wertfrei bleibt. Er beschränkt sich in bester journalistischer Tradition auf das Dokumentieren und überlässt die Wertung seinen Quellen. Inhaltlich ist das Buch also keineswegs wertfrei, aber dabei ist es sachlich und auf die möglichst genaue Nacherzählung der Geschehnisse beschränkt. Das wiederum macht es zu einem sehr seriösen zeitgeschichtlichen Werk – vielleicht genau das, was es braucht, um die Präsidentschaft ein bisschen mehr zu verstehen.
Furcht ist ein beeindruckendes Stück Weltgeschichte, ein Zeugnis darüber, wie gefährlich die Präsidentschaft Trump tatsächlich nicht nur für die USA ist. Ein Buch, bei dem man sich immer wieder daran erinnern muss, dass es eben kein fiktionaler Politthriller ist.
Transparenzblock: Diese Rezension ist auch auf meinem Profil bei mojoreads (Werbung) erschienen. mojoreads versteht sich als social bookstore und beteiligt seine User am Erlös aus Buchverkäufen, die u.a. auf ihre Rezensionen zurückgehen. Wenn du das Buch kaufen willst, würdest du mir eine Freude machen, wenn du es über meine dortige Rezension (Werbung) kaufst. Bedankt 🙂
Der Store (von Rob Hart)
Autor: Rob Hart
Erschienen: 2019
Seiten: 592

In einer nahen Zukunft lernen sich Paxton und Zinnia bei Cloud, dem Onlinestore schlechthin kennen. Paxton gehört zur Security, Zinnia ist Sammlerin. Cloud regelt das komplette Leben seiner Mitarbeiter. Während nach außen alles auf den Markt ausgerichtet ist, herrscht im Inneren ein ausgeklügeltes Ökosystem aus Kontrolle und Belohnung. Die beiden kommen sich näher, doch Cloud wird zunehmend zum Problem.
Der Store ist Rob Harts erster großer Unterhaltungsroman. Das Buch umfasst 592 Seiten, die sich in 11 Kapitel gliedern, innerhalb denen zwischen den Handlungssträngen gesprungen wird. Erschienen ist es 2019 bei Heyne, einem Imprint von Random House.
Bei Cloud dominiert das Bewertungssystem alles. Mit dem Bewerbungsprozess beginnt die Einstufung und Bewertung der Mitarbeiter. Cloud selber ist dabei ein relativ geschlossenes Ökosystem inmitten einer Welt, die durch den Klimawandel stark entvölkert und lebensfeindlich ist, eine Art Oase. Die sog. MotherClouds, quasi abgeriegelte Produktionsstädte, in denen die Mitarbeiter leben und vor allem arbeiten, haben fast exterritorialen Status. Die Staatsgewalt hat ihren Einfluss hier weitgehend abgegeben, im Gegenzug hat Cloud Arbeitsplätze und Sicherheit für den großen Teil der Bevölkerung, der für ihn arbeitet, geschaffen. Es ist ein Zwischenszenario zwischen heute und den dystopischen Visionen weltbeherrschender Megakonzerne.
Rob Hart gelingt dabei eine wirklich spannende Art Kapitalismuskritik, denn er geht sie von zwei Seiten an. Auf der einen Seite ist die offensichtliche, die durch die Handlungsstränge von Paxton und Zinnia repräsentiert wird. Sie kommt auf dem üblichen Wege, aus der Warte der Betroffenen, und begründet sich auf den Zuständen, unter denen ebendiese in einer neokapitalistisch entfesselten Welt leiden müssen. Auf der anderen Seite steht Gibson Wells, der Gründer von Cloud, der seinem bevorstehenden Krebstod entgegenblickend, Resümee in einem persönlichen Blog zieht. Der Strang ist der eigentlich interessante, denn er ist in meinem Augen als Kapitalismuskritik unheimlich geschickt gesponnen.
Wells beginnt als menschenfreundlicher Gönner, als Lichtgestalt, die immer nur die besten Absichten hatte und von den Zuständen, die mittlerweile in den MotherClouds herrschen, eigentlich überhaupt nichts wissen kann. Er ist der gewissenhafte, bodenständige Selfmademilliardär von nebenan. Doch dieses Bild wandelt sich schleichend. Immer mehr zeigt sich, dass Wells über all die Missstände Bescheid weiß, dass sie sogar seinem Ideal entsprechen. Alles unter seinem Mantra, der Markt regelt alles und er regelt vor allem alles am Besten. Das führt zu den perfiden Argumentationen, die wir von wirtschafts- bzw. neoliberalen Politikern auch heute schon kennen. Berufliche Ausbeutung beispielsweise ist eine Wohltat an der Gemeinschaft, denn immerhin schaffe man Arbeitsplätze für ebendiese Menschen, was ihren Leben überhaupt erst einen Sinn gäbe. Genauso Preisdumping und das damit einhergehende Sterben kleinerer Betriebe, die die Preise nicht mehr mitgehen können. So würde der Kunde schließlich mehr von seinem Geld haben. Besonders perfide, die Ablehnung von Automatisierung, um selbst stupideste Arbeiten von Menschen erledigen zu lassen, damit eben genug Arbeitsplätze vorhanden sind. Statt sich über Ausgleichsmöglichkeiten für den technischen Fortschritt Gedanken zu machen und das Leben der Menschen zu verbessern (Stichwort: Bedingungsloses Grundeinkommen). All das argumentiert Hart durch seine Figur Gibson Wells von der marktradikalen Seite her durch und wenn man es so liest, ist es natürlich stimmig – allerdings nur unter völliger Ausblendung der Menschenwürde. Das macht Der Store zu einem wirklich guten kapitalismuskritischen Roman.
Das Unternehmen Cloud ist bestimmt nicht ganz zufällig an real existierende Vorbilder angelehnt. Hart präsentiert es als eine Mischung aus Amazon und Google im Endstadium. Gerade die Fixierung auf das Leben der Sammler erinnert doch stark an die Zustände in Amazons Versandzentren, die schon seit Jahren hart kritisiert werden. So auch die Grundregel, innerhalb der MotherClouds niemals das Wort ›Gewerkschaft‹ in den Mund zu nehmen. Das campusähnliche Habitat und die Fixierung auf Forschung in Zukunftstechnologien hingegen erinnert an Google.
Der Roman selber ist spannend und fesselnd geschrieben, obwohl die Handlung an sich gar nicht so spannend ist. Da möchte ich eine kleine Kritik am Klappentext anbringen, denn die »schreckliche Entdeckung«, die »alles ändert« konnte ich nicht finden. Die drei Handlungsstränge schleichen so dahin, die von Paxton und Zinnia bewegen sich schnell aufeinander zu. Auch eine echte Spannungsspitze gibt es nicht, sieht man vom Finale ab, auf das ab einem gewissen Punkt alles hinläuft. Gefesselt hat mich Der Store vor allem durch die sympathischen Figuren – also Paxton und Zinnia – und die Art der Kapitalismuskritik, denn die ist, wie schon gesagt, wirklich gut. In einem oder zwei Punkten ist mir das Ende leider etwas zu offen, aber das kann ich verschmerzen.
Zusammengefasst ist Der Store ein wirklich toller Roman, der weniger von der Spannung als von seiner Botschaft lebt. Mit der gibt sich Rob Hart große Mühe und das hat sich ausgezahlt. Hoffen wir, dass wir die Kurve bekommen und der Roman nicht visionär wird.
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Feuerland (von Pascal Engman)
Autor: Pascal Engman
Erschienen: 2020
Seiten: 496

In Stockholm wird ein exklusiver Uhrenladen überfallen, wenig später werden zwei reiche Geschäftsmänner entführt. Unterdessen steckt Kriminalkommissarin Vanessa Frank in einer Krise. Ihre Ehe ist frisch geschieden und sie suspendiert, weil sie mit Alkohol am Steuer erwischt wurde. Vanessa entdeckt die Geflüchtetenarbeit für sich und freundet sich mit der 14-jährigen Natasja an, die zu Fuß aus Syrien geflüchtet ist.
In Chile könnte Carlos ein angenehmes Leben führen. Seiner Colonia Rhein geht es gut, er wird respektiert, hat Geld und Macht. Doch die Vergangenheit plagt ihn und schließlich kommen auch noch geschäftliche Probleme dazu.
Feuerland ist der zweite Thriller des schwedischen Autors Pascal Engman. Das Buch umfasst 496 Seiten, die in elf Teile mit jeweils sehr kurzen Kapiteln gegliedert sind. Feuerland erschien am 22.02.2020 bei Tropen, einem Imprint von Klett-Cotta, und wird als Start einer Reihe um Kriminalkommissarin Vanessa Frank angekündigt. Für mein Rezensionsexemplar bedanke ich mich bei Klett-Cotta und NetGalley.
Nach Der Patriot erscheint nun mit Feuerland Pascal Engmans zweiter Thriller. Erneut konstruiert er um zentrale Themen – Geflüchtete und die Colonia Dignidad – eine abgründige fiktive Geschichte. Im Zentrum stehen dabei Kriminalkommissarin Vanessa Frank von der Stockholmer Sondereinheit Nova, der schwedische Ex-Elitesoldat Nicolas Paredes und der Führer der fiktiven Colonia Rhein Carlos Schillinger. Daneben gibt es zahlreiche Nebencharaktere, deren Handlungen zeitweise verfolgt werden, u.a. die syrische Geflüchtete Natasja, Nicolas‘ zweifelhafter Jugendfreund Ivan oder Marcos, Carlos‘ Adoptivsohn und rechte Hand.
Stilistisch ist sich Pascal Engman treu geblieben. Feuerland ist grob in elf Teile gegliedert, in denen die einzelnen Handlungsstränge in kurzen Kapiteln erzählt und später zusammengeführt werden. Schon in seinem Debüt machte er Cliffhanger zu einem seiner zentralen Stilmittel, das setzt er in Feuerland fort. Das Buch ist oftmals wirklich schwer weg zu legen, die Spannung reißt nie ab.
Ebenfalls zu einem Fingerabdruck Engmans entwickelt sich der Aufbau der Handlung. Ich habe selten Autor*innen gelesen, denen es in Engmans Maß gelingt, die Figuren über einen verhältnismäßig langen Zeitraum als ganz normale, sympathische Menschen aufzubauen – ohne dabei langatmig zu werden -, um dann ganz beiläufig ihre abgründigen Schattenseiten zu enthüllen. Mit Carlos ist das zwar schwer möglich, doch auch ihm lässt er über lange Zeit sympathische Aspekte angedeihen, mit Nicolas hingegen gelingt es ihm wieder außergewöhnlich gut.
Was Engman trotz dieser Erzählweise aber nicht tut, ist die Legitimation des Handelns seiner bösen Figuren. Bei denen aus der Colonia Rhein ist von Anfang an klar, dass sie keine guten Menschen sind, auch wenn er zeitweise ihre normalen Aspekte behandelt, bei denen man insbesondere in Carlos‘ Fall auch mal dazu neigt, Mitgefühl zu haben. Nicolas hingegen ist ein vielschichtiger Charakter, wie Engman ihn auch in Der Patriot nutzte, der diesmal aber weniger zweifelhaft als dort August Novak daher kommt. Insgesamt empfinde ich das Charaktersetting als ausgewogen und sehr passend.
Ich bin ein bisschen gespannt, wie Engman die Reihe fortsetzt. Vanessa Frank hat durchaus Potenzial, ihre Figur ist gut angelegt. Allerdings hat sie in Feuerland mit Nicolas einen fast präsenteren Charakter neben sich, den ich mir nur schwer wegdenken kann. Weil er aber in den Polizeihintergrund von Vanessa nur schwer reinpasst, kann man ihn wohl auch nur schwer weiter mitnehmen. Mir fallen da schon Möglichkeiten ein, aber die sind speziell. Wie Engman das lösen wird, wird man sehen. Ich traue ihm da einiges zu und ich freue mich auf jeden Fall auf die Fortsetzung.
Feuerland ist ein weiterer spannender und fein ausgearbeiteter Thriller aus Engmans Feder. Er verknüpft geschickt ein aktuelles mit einem historischen und eher halbherzig aufgearbeiteten Thema. Das und seine ganz spezielle Art, mit seinen Figuren umzugehen, macht das Buch zu einem spannenden Auftakt zur angekündigten Reihe.
Transparenzblock: Das Buch habe ich im über NetGalley als Rezensionsexemplar kostenfrei erhalten. Verpflichtungen (beispielsweise eine »wohlwollende« Rezension) sind damit, abgesehen von eben einer Rezension, nicht verbunden. Meine Meinung über das Buch, die ich hier kund tue, wird dadurch nicht beeinflusst.
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Die Schulz-Story (von Markus Feldenkirchen)
Autor: Markus Feldenkirchen
Erschienen: 2018
Seiten: 320

2017 in Deutschland – Bundestagswahlkampf. Die SPD steckt in ihrer bis dato wohl schwersten Krise. Was sie auch macht, die Wähler rennen weg und ihre Umfragewerte fallen von einem historischen Tief ins nächste. Anfang 2017 gelingt ihr scheinbar der Coup: Martin Schulz, bislang Präsident des EU-Parlaments, soll überraschend die Kanzlerkandidatur übernehmen. Die Ankündigung ist der Startschuss für eine lange nicht mehr erlebte Euphoriewelle, die Umfragewerte steigen rasant, obwohl noch gar nichts geschehen ist. Der Bundesparteitag wählt Schulz mit dem ebenfalls historischen Ergebnis von 100%. Der Druck ist riesig. Und der Absturz wird ein tiefer sein.
Die Schulz-Story: Ein Jahr zwischen Höhenflug und Absturz ist das Ergebnis eines Jahres hautnaher Wahlkampfbegleitung durch den SPIEGEL-Journalisten Markus Feldenkirchen. Das Buch umfasst 320 Seiten und erschien 2018 bei DVA, einem Imprint von Random House. Die zugehörige SPIEGEL-Reportage wurde mit dem Nannen-Preis ausgezeichnet.
Die Schulz-Story ist ein in Deutschland bislang ziemlich einzigartiges Experiment. Martin Schulz ließ sich auf eine sehr nahe Begleitung seines gesamten Wahlkampfes durch den SPIEGEL-Journalisten Markus Feldenkirchen ein. Einzigartig ist es vor allem durch die Absprache, dass das Buch am Ende ohne Abnahme veröffentlicht würde. Damit bekam Feldenkirchen einerseits einen sehr persönlichen Einblick, andererseits die Möglichkeit ein ungeschöntes Werk zu schreiben. Martin Schulz trat einst an als Vertreter eines offenen Politikstils nahe den Menschen, das Projekt ist im Prinzip ein logischer Schritt.
Und das Projekt hat sich gelohnt, ob man Schulz oder die SPD nun mag oder nicht. Feldenkirchen berichtet detailliert über zahlreiche Stationen des Wahlkampfes, öffentliche Veranstaltungen wie Planungsmeetings. Dabei nimmt er regelmäßig eine resümierende Haltung an. Er analysiert treffsicher, wo die Ursachen für Schulz‘ fortlaufendes Scheitern lagen. Wurde Schulz selber in der medialen Wahrnehmung wegen fehlender Professionalität und ähnlichem maßgeblich für das katastrophale Wahlergebnis verantwortlich gemacht, ergibt sich durch den tieferen Einblick eine wesentlich andere Perspektive. Denn neben Schulz sind es vor allem Sigmar Gabriel und die SPD-Granden selber, die die Kampagne von Anfang an auf unruhige See geschickt haben.
So ergibt sich mit der Zeit auch ein anderes Bild von Martin Schulz selber. Zahlreiche Entscheidungen, die ihm öffentlich angelastet wurden – auch weil es offensichtlich war -, stellen sich in einem anderen Licht dar. Exemplarisch, weil es im Nachhinein betrachtet persönlich wohl der drastischste Fehler war, sei da die Entscheidung, in der Neuauflage der GroKo das Außenministerium zu übernehmen. Was nach außen wie eine machtpolitische Entscheidung und ein vollkommen offensichtlicher Fehler aussah, entpuppt sich als Teil eines vielschichtigen Prozesses, den Schulz nur noch bedingt steuern konnte. Feldenkirchen offenbart einen Prozess, der mit dem Moment beginnt, in dem Schulz als Kanzlerkandidat in Frage kommt, der sich über die gesamte Zeit spannt und auf den Schulz selber erstaunlich wenig Einfluss nehmen konnte. Man könnte sagen, er geriet in eine Maschinerie, die er, obwohl er Parteivorsitzender war, kaum steuern konnte.
Insofern zeigt Die Schulz-Story auch die ganze persönliche Tragik auf, die diese Kandidatur mit sich gebracht hat. Überhaupt ist das Buch zu einem großen Teil ein sehr persönliches. Es geht tatsächlich fast so sehr um den Privatmann Martin Schulz wie um den Kanzlerkandidaten. Feldenkirchen schreibt dabei so, dass man nicht selten mit dem Kandidaten leidet. Er wird greifbarer als die erst Lichtgestalt und dann Witzfigur, als die er vor und nach der Wahl beschrieben wurde. Möglicherweise ist das Buch auch vor allem so gut geworden, weil Schulz diese ganzen Entwicklungen erleiden musste und so krachend scheiterte. Was die Tragik nur erhöht.
Im Bereich der politischen Berichterstattung ist Die Schulz-Story auf jeden Fall ein empfehlenswertes Werk. Mehr Spitzenpolitiker, die ein Politikverständnis pflegen, das solche Begleitungen möglich macht, würden dem Ansehen der Spitzenpolitik sicher einen guten Dienst erweisen.
Transparenzblock: Diese Rezension ist auch auf meinem Profil bei mojoreads (Werbung) erschienen. mojoreads versteht sich als social bookstore und beteiligt seine User am Erlös aus Buchverkäufen, die u.a. auf ihre Rezensionen zurückgehen. Wenn du das Buch kaufen willst, würdest du mir eine Freude machen, wenn du es über meine dortige Rezension (Werbung) kaufst. Bedankt 🙂
17. Februar 2020
19:32 – Bürodämmerung. Hier könnt ich ja auch mal wieder was schreiben. Mein Alltag versinkt gerade in aufgestauter und neuer Büroarbeit. Da muss das Hauptkonto umgezogen werden, außerdem sind meine Ordner mit Kram, den man max. 10 Jahre vorhalten muss, mittlerweile so dick, dass ich von den 20 mal 10 Jahre vernichten muss. Es ist wirklich ermüdend, wie lange so ein handelsüblicher Aktenschredder für nur ein Jahr braucht.
Die Familie ist diese Woche im Skiurlaub, was zwingend bedeutet, dass sich mein Tagesrhythmus instantan auf sein natürliches Intervall umstellt. Heißt, sieben Stunden Schlaf, 18 Stunden wach. Moment mal, da stimmt doch was nicht, fällt dem aufmerksamen Leser auf. Korrekt, nur dass es leider stimmt. Mein Tag verlagert sich so täglich um eine Stunde. Schön ist, dass ich fit bin. Unschön ist, dass das Prinzip irgendwie nicht zum Standard westlicher Gesellschaften passt.
Noch so eine beeindruckende Entdeckung: Von 2005 bis 2015 hatte ich ja mal auswärts studiert. Mit den üblichen finanziellen Nebenwirkungen – soll heißen, am Monatsende war das Geld immer zu knapp zum Essen. Offenbar gab es da aber eine vollkommen verdrängte Phase, in der ich im Geld geschwommen sein muss. Anders lässt sich wohl nicht erklären, wie ich 2009 einen Verrechnungsscheck über knapp 50€ einfach so abheften, statt ihn einzulösen, konnte. Das zeugt schon von beeindruckender Klugheit.
Die Katze überrascht mich auch immer wieder. Zu meiner Kellerwohnung gibt’s wegen des Kindes im Haus zur Zeit so ein Treppengitter. Der Abstand der Streben ist etwa halb so breit wie die Katze. Ich lass das manchmal, wenn die Katze gerade Fütterungszeit hatte, zu, weil das Tier zum Schlingen tendiert und danach erstmal kotzen muss, was natürlich in der einzigen Wohnung im Haus, in der Teppich verlegt ist, geschehen muss. Das ist Gesetz. Jetzt hat es die Katze aber tatsächlich geschafft, sich durch das Gitter zu quetschen und – das beeindruckt mich noch ein bisschen mehr – das Gitter richtig aufzudrücken. Kann das Kind noch was von dem Tier lernen.
Ich hatte die Tage übrigens erstmals Lasagne mit veganem Hack gemacht. War überraschend lecker. Allerdings muss ich mal sagen, das Next Level Hack von Lidl stinkt, sobald es in die Nähe der Pfanne kommt, so unmenschlich, dass einem alles vergeht. Umso beeindruckender ist dann das Endergebnis.
Ansonsten gehörte der Tag der Leitkulturdebatte. Unser jährlich Brot gib uns heute. Amthor, dieser beeindruckend gealterte, junge Mann, hat sie endlich mal wieder los getreten. Ich vermeide es, genauer hinzuschauen. Dieser Mist ist einfach so überflüssig, fast wie Amthor und die CDU.
Kurzbio

Thomas liest, schreibt drüber, ist von der Menschheit im Allgemeinen genervt und schreibt auch mal da drüber.
Letzteres tut ihm jetzt schon Leid, ersteres nicht.
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