27. – 28. Juli 2020
14:58 – Aktueller Status: Weiter pandemisch. Es mag manchmal nicht so aussehen, aber wir stecken immer noch mittendrin. Immerhin, so langsam scheint sich wohl sogar bis zur Deutschen Bahn rumzusprechen, dass Maskenpflicht tatsächlich MaskenPFLICHT heißt. Vielleicht komm ich irgendwann doch noch mal in den Norden. Nötig hätt ichs.
Politisch ist so viel passiert, das krieg ich nicht mal mehr ansatzweise zusammen. Wir haben sowas wie eine Rassismusdebatte, ausgelöst durch den Mord an George Floyd. Die lief zwar auch schon besser, aber wenigstens im Kern trotzt sie noch dem Sperrfeuer aus der sog. Mitte der Gesellschaft. Da mag mit hinein spielen, dass wir ja auch noch den NSU 2.0 haben und Polizisten nicht mehr absolut unzweifelhaft immer die Guten sind. Trotzdem, je lauter die Debatte geführt wird, desto lauter wird sie auch torpediert. Und es ist leider deutlich angenehmer, sich der Torpedierung anzuschließen, wenn man Teil der weißen Mehrheitsgesellschaft ist, als zu akzeptieren, dass man in einer rassistisch dominierten Gesellschaft natürlich rassistisch erzogen wurde. Und das, obwohl man sich bequem genau auf das rausreden könnte – man kann ja gar nichts dafür -, trotzdem müsste man sich dann halt reflektieren, damit sich was verbessert. Scheint ein gewaltiges Problem zu sein.
Ich selber hänge gerade schwer in Black Literature. Auch das ist ein Grund, warum ich mich noch etwas schwer tue, hier wieder regelmäßiger zu rezensieren. Denn Bücher gäbe es genug. Nur leider bin ich mir noch nicht ganz sicher, wie ich die Bücher am Besten rezensiere. Ich habe nämlich durchaus ein Problem damit, Werke von Schwarzen, in denen sie ihre persönlichen Erfahrungen schildern, inhaltlich zu bewerten. Ich bin der Meinung, das steht mir nicht zu; vor allem, weil mir der Erfahrungshorizont fehlt. Ohne inhaltliche Kritik wird eine Rezension aber recht kurz und das haben die Bücher nun auch nicht verdient. Ich mache zwar Fortschritte, aber tja.
Vorgestern trendete auf Twitter mal wieder der sog Rassismus gegen Weiße – heißer Kandidat aufs Unwort für immer. Es ist ja schon beeindruckend, wie unreflektiert wir Weißen generell mit unserem internalisierten Rassismus umgehen, hier kommt aber noch völlig realitätsverweigernde Umdeutung von unserer Gesellschaft fernen Systemen dazu. Irgendwann landet die Sache immer bei Südafrika und das ist so furchtbar absurd, dass ich dazu wahrscheinlich einen kurzen Post außerhalb der Reihe machen werde. Wofür alleine die Lektüre von Wikipedia und mindestens einem Zeitungsartikel reicht – das soll wirklich was heißen, bei dem komplexen Thema.
Über das Blog hab ich auch mal wieder nachgedacht. Möglicherweise fällt demnächst die Sternebewertung weg. Die hat mich im Prinzip von Anfang an aus mehreren Gründen genervt, aber sie schien halt dazu zu gehören. Jeder Shop hat sie, jede Büchercommunity. Mit dem Unterschied, dass sie da gröber sind – fünfstufig, während ich hier eine 50-stufige habe. Letzteres bringt mich schon immer in den gefühlten Zwang, ständig zu vergleichen, ob eine Wertung im Gesamtbild so wirklich passt. Und weil ich sowieso überwiegend Bücher lese, die irgendwo zwischen vier und fünf Sternen landen, ist das Spektrum auch nicht allzu groß. Alles etwas unnütz im Kern.
Update 28. Juli: Möglicherweise kommt mir die Technik in dem Punkt zuvor. Nach dem aktuellen Pluginupdate für die Bewertungen funktioniert der Editor nicht mehr. Also ist das Plugin gerade sowieso deaktiviert. Die Shortcodes in den Posts sehen jetzt zwar eher semiprofessionell aus, aber die lass ich erst mal noch drin, bis ich entschieden habe, wie es endgültig weiter geht.
Ansonsten gehört der Tag den Nulpen von der sog. AfD. Die tun sich gerade durch völlige ideologische Verblendung bei völligem Mangel an Sprachfähigkeit hervor. Man regt sich über den sog. Genderwahn auf, ausgelöst durch den Fascho Lindemann, der offenbar noch nie was vom Fahrspurende gehört hat. Tja.
NSA – Nationales Sicherheits-Amt (von Andreas Eschbach)
Autor: Andreas Eschbach
Erschienen: 2020
Seiten: 796

Weimar mitten in der NS-Zeit. Helene Bodenkamp arbeitet als Programmstrickerin beim kaum bekannten Nationalen Sicherheits-Amt NSA. Tagein tagaus strickt sie Abfragen an ihrem Komputer, um aus den schier endlosen Datenbeständen des Dritten Reichs nützliche Erkenntnisse zu erlangen. Jedenfalls glaubt sie das. Als Heinrich Himmler persönlich das Amt besucht, bekommt sie erstmals mit, wozu ihre Arbeit wirklich nutzt – und ist schockiert.
Unterdessen weiß ihr Kollege Eugen Lettke genau, was das NSA tut. Als Analyst wertet er die Abfrageergebnisse aus, die die Programmstrickerinnen für ihn erstellen. Aber Eugen hat auch ganz persönliche Motive für seine Arbeit beim NSA – und die ziehen ihn mehr und mehr in den Abgrund.
NSA – Nationales Sicherheits-Amt ist der aktuelle Roman von Andreas Eschbach. Das Buch erschien 2020 bei Bastei Lübbe und umfasst 796 Seiten.
Meine Güte, was für ein scheiß trostloses Buch! Damit könnte schon alles über NSA – Nationales Sicherheits-Amt gesagt sein. Könnte, wäre es nicht so enorm politisch und in Zeiten von Big Data und zunehmender Überwachung so furchtbar aktuell.
Andreas Eschbach entwirft in seinem Roman eine alternative Realität der NS-Zeit. Die technologische Entwicklung ist nah am heutigen Zustand bzw. im Verlauf des Buches ein Stück weiter, es gibt Komputer, das Weltnetz, Datensilos (aka. Cloud-Services) und das Deutsche Forum als Social-Media-Komponente. Bargeld ist abgeschafft, bezahlt wird mit dem Mobiltelefon, das eine gar nicht verblüffende Ähnlichkeit zu heutigen Smartphones hat. Und es gibt Big Data. Der Staat sammelt alles und er wertet es aus. Hier kommen die Programmstrickerinnen ins Spiel und damit Helene Bodenkamp.
Was Eschbach damit demonstrieren will, ist das letzte Argument aller Überwachungsgegner: Wenn du schon kein Problem damit hast, dass eine ›dir freundlich gesonnene‹ Regierung alles über dich sammelt und auswertet, weil du ja nichts zu verbergen hast, wie sieht es aus, wenn plötzlich eine repressive Regierung an die Macht kommt und all die Daten und Möglichkeiten erbt? In Deutschland lässt sich dieses Szenario anschaulich an zwei Epochen durchspielen: Dem Dritten Reich und der DDR. Und eigentlich sollte man erwarten, dass gerade wir in Deutschland in der Hinsicht sehr vorsichtig sind. Ja, wir haben unser Datenschutzgesetz, das internationale Konzerne immer wieder beklagen. Doch die gesellschaftliche Grundskepsis schwindet schon seit längerem. »Ich hab ja nix zu verbergen« ist schon seit Jahren ein oft gehörtes Argument, wenn man Datenschutzbedenken äußert und man wird nur zu gerne wahlweise als paranoid, technologie- oder innovationsfeindlich abgestempelt. Das ist gefährlich, weil es eine der wichtigsten Debatten unsere Zukunft betreffend im Keim erstickt.
Mit NSA – Nationales Sicherheits-Amt bringt Andreas Eschbach also sozusagen einen Debattenbeitrag ein, der drastischer und anschaulicher kaum sein könnte. Das Dritte Reich mit den technologischen Überwachungsmöglichkeiten von heute, das will man sich wirklich nicht vorstellen. Wem die Zustände in China oder alles, was mit den Snowden-Enthüllungen kam, zu fern sind oder anderweitig nicht reichen, der kann die Gefahr nun in unserer eigenen jüngeren Geschichte erleben. Dass Eschbach hierfür das Dritte Reich und eben nicht die DDR gewählt hat, halte ich für sehr sinnvoll, weil das Dritte Reich und die Shoah mit diesen technologischen Möglichkeiten eben noch einmal erheblich verschlimmert worden wären. Man stelle sich vor, es gäbe tatsächlich kein Entrinnen mehr, weil man sich nicht verstecken kann. Wer sich ab einem Zeitpunkt x innerhalb der physischen Grenzen des Deutschen Reiches befindet und zu einer verfolgten Gruppe gehört, ist früher oder später tot. Fluchtmöglichkeiten gibt es nicht mehr, ebenso wenig Möglichkeiten sich zu verstecken, denn die Technik findet früher oder später jeden.
Eschbach beschränkt sich dabei nicht alleine auf die alternativen Entwicklungen. Große Teile des ziemlich dicken Romans widmen sich der Vorgeschichten von Helene und Eugen, um deren so gegensätzliches Verhalten im Dritten Reich zu erklären. Eugen, der hinterhältige Geheimdienstler, Helene, die bis zu ihrem Schlüsselerlebnis mit Himmler recht naive Zuarbeiterin. So bedient Eschbach auch teilweise bis heute vorherrschende Rollenklischees. Die Programmstrickerei – das Wort lässt es schon ahnen – ist ein typischer Frauenberuf, kaum vorstellbar, dass auch das männliche Gehirn dazu fähig ist. Im Verlauf des Romans lässt sich Eugen von Helene lehren, im Geheimen natürlich, nicht auszudenken, wenn das jemand mitbekäme.
Hinsichtlich Spannung zündet NSA – Nationales Sicherheits-Amt kein Feuerwerk, das störte mich aber nicht wirklich. Im Vordergrund steht das Gedankenexperiment, die einzelnen Handlungsstränge dürfen da hintenan stehen. Geht man mit einer anderen Erwartungshaltung an das Buch, könnte man es langatmig oder gar langweilig finden. Man sollte sich also schon vorher darüber im Klaren sein, was für ein Buch man hier lesen wird – dann ist es wirklich gut.
Andreas Eschbach gelingt mit NSA – Nationales Sicherheits-Amt ein ziemlich umfangreiches, detailliertes Gedankenexperiment in einer alternativen Vergangenheit. Zu einem Thema, das zu den wichtigsten unserer Zeit gehört. Das Buch ist ein Denkanstoß auf einem Diskussionsfeld, auf dem gerade die breite Masse dringend deutliche Denkanstöße braucht.
Transparenzblock: Diese Rezension ist auch auf meinem Profil bei mojoreads (Werbung) erschienen. mojoreads versteht sich als social bookstore und beteiligt seine User am Erlös aus Buchverkäufen, die u.a. auf ihre Rezensionen zurückgehen. Wenn du das Buch kaufen willst, würdest du mir eine Freude machen, wenn du es über meine dortige Rezension (Werbung) kaufst. Bedankt 🙂
Paradise City (von Zoë Beck)
Autor: Zoë Beck
Erschienen: 2020
Seiten: 281

Deutschland in einer nicht allzu fernen Zukunft. Der Klimawandel und Pandemien haben zugeschlagen, weite Teile des Landes sind unbewohnt oder unbewohnbar. Die Bevölkerung hat es in die Megacitys gezogen, der ländliche Raum ist weitgehend entvölkert. Frankfurt am Main, das sich mittlerweile über weite Teile des Rhein-Main-Gebietes erstreckt, ist die neue Bundeshauptstadt. Es regieren insbesondere Fake News und Algorithmen.
Liina ist Investigativjournalistin bei einer der letzten nicht-staatlichen Nachrichtenagenturen. Während ihr Chef Yassin sie zu einer vermeintlich unspektakulären Geschichte in die Uckermark schickt, obwohl er sie für eine große Sache einplante, erleidet er einen mysteriösen Unfall und liegt nun im Koma. Zeitgleich stirbt eine Kollegin. Als Liina, Özlem und Ethan Nachforschungen beginnen, geraten auch ihre Leben zunehmend in Gefahr. Immer tiefer tauchen sie in einen Abgrund ein, in dem außer Kontrolle geratene Algorithmen das Leben der Bevölkerung bedrohen.
Paradise City ist der aktuelle Thriller von Zoë Beck. Das Buch erschien im Juni 2020 bei Suhrkamp und umfasst 281 Seiten, die sich in 20 Kapitel gliedern. Für mein Rezensionsexemplar darf ich mich beim Verlag und Vorablesen bedanken.
Zoë Beck zeichnet in Paradise City erneut eine düstere Weiterentwicklung der aktuellen Zustände. Der Kampf gegen den Klimawandel ist verloren, die Verselbstständlichung der Algorithmen – im Falle der Geschichte vor allem der des Gesundheitssystems – ist über einen Punkt hinaus geraten, der ursprünglich nicht für möglich gehalten wurde. Vom freiheitlich-demokratischen System ist nicht allzu viel übrig, ebenso von der freien Presse. In den Ballungszentren, die sich auf Megametropolen beschränken, lebt es sich technisch angenehm, wenn man sich mit den Zuständen abfindet. Tut man das nicht, sondert einen das System aus. Das sind die sog. Parallelen, die in entvölkerten Gegenden unter primitivsten Umständen leben – Kranke, psychisch Beeinträchtigte, Behinderte und allgemein Menschen, die mit dem System nicht klar kommen. In ihrer Kindheit hat Liina diese Menschen kennengelernt, mittlerweile sind sie von der Bildfläche verschwunden.
Man könnte nun skeptisch die Augenbraue heben, ob der verhältnismäßig geringen Seitenzahl von Paradise City. Vergleichbare Techthriller – vorwiegend solche männlicher Autoren – kommen da meist mit einem deutlich größeren Umfang daher, was nicht selten daran liegt, dass die technischen Details fast so viel Platz wie die Geschichte selber einnehmen. Zoë Beck verzichtet weitgehend auf diesen Aspekt. Das schadet dem Buch aber kein bisschen, denn sie geht mit der Technik gerade so weit, dass sie heute schon problemlos vorstellbar ist. Das algorithmisierte Gesundheitssystem wird bereits diskutiert (man denke beispielsweise an den Fitnessband-Vorstoß hierzulande, die USA waren da schon weiter), Sensorimplantate sind ebenfalls schon bekannt und der Schritt zur KI ist längst mehr als eine abgefahrene Idee von ein paar Nerds, die nur in ihren düsteren Garagen oder bestenfalls Nerdforen stattfindet. Über die Folgen, die insbesondere mit KIen einher gehen, gibt es seit Jahren Diskussionen mit Blick auf das autonome Fahren. Mit dieser auf die technischen Details verzichtenden Herangehensweise rückt die Geschichte selber mehr in den Vordergrund und damit hat Beck mich, obwohl ich eigentlich ausgesprochener Liebhaber technisch komplexer Techthriller bin.
Überhaupt geht Zoë Beck in Paradise City recht interessant mit dem ihr zur Verfügung stehenden Platz um. Die Geschichte wird relativ schnell klarer, die ›Bösen‹ stehen bald fest und ab dem Zeitpunkt strebt die Handlung auf das Finale zu. Als sich wirklich sehr kurz vor Schluss abzeichnet, dass die Auflösung doch nicht so einfach ist, saß ich mit dem kümmerlichen Stoß Restseiten da und dachte mir, wie will sie das auf dem bisschen Raum jetzt noch ungehetzt zu Ende bringen? Kleiner Spoiler: Es gelingt ihr und es bleibt auch nicht das Gefühl, da würde noch was fehlen. Das hat mich am Ende dann doch noch etwas überrascht, weil ihr da wirklich nur noch sehr wenig Platz blieb.
Zum Schluss darf noch ein Wort zum Cover fallen, das wieder sehr gelungen ist. Besonders macht es seine Haptik, denn die Schriftelemente sind, als Kontrast zum bildlichen Hochglanzteil, aufgeraut.
Paradise City reiht sich ein in Zoë Becks Werk der vergangenen Jahre. Weniger Gegenwarts-, mehr Zukunftsthriller und immer auf eine recht einfach zugängliche Weise mahnend. Nicht technologiefeindlich, aber in gesundem Maße technologiekritisch, wo man schon heute kritisch sein sollte, weil die Weichen bereits gestellt werden. Daneben erzählt sie aber auch wieder eine spannende Geschichte mit sympathischen Figuren. Für Freunde des Genres immer ein Leckerbissen, aber auch als Einstieg sehr geeignet.
Transparenzblock: Das Buch habe ich im Rahmen einer Buchverlosung über Vorablesen als Vorabrezensionsexemplar kostenfrei erhalten. Verpflichtungen (beispielsweise eine »wohlwollende« Rezension), abgesehen von eben einer Rezension, habe ich dabei keine. Meine Meinung über das Buch, die ich hier kund tue, wird dadurch nicht beeinflusst.
Transparenzblock: Diese Rezension ist auch auf meinem Profil bei mojoreads (Werbung) erschienen. mojoreads versteht sich als social bookstore und beteiligt seine User am Erlös aus Buchverkäufen, die u.a. auf ihre Rezensionen zurückgehen. Wenn du das Buch kaufen willst, würdest du mir eine Freude machen, wenn du es über meine dortige Rezension (Werbung) kaufst. Bedankt 🙂
Kurzbio

Thomas liest, schreibt drüber, ist von der Menschheit im Allgemeinen genervt und schreibt auch mal da drüber.
Letzteres tut ihm jetzt schon Leid, ersteres nicht.
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