Lesedauer4 Min, 20 Sek
Titel: Altes Land
Autor*in: Dörte Hansen
Verlag: Penguin
Erschienen: 13.03.2017
Seiten: 304

Ein Bauernhaus, Heimatvertriebene, Flucht und Ankommen. Eine Geschichte über ein Familienschicksal im Laufe fast eines Jahrhunderts. Tiefgängig, einfühlsam, nordisch trocken und mit zu wenig Platz.

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Ende des Zweiten Weltkriegs wird die gutbürgerliche Hildegard von Kahmen wie so viele aus ihrer Heimat im damaligen Ostpreußen vertrieben. Gemeinsam mit ihrer fünfjährigen Tochter Vera flüchtet sie in den Westen und landet schließlich in einem Dorf in der Elbmarsch, dem Alten Land. Die Freude über die Neuankömmlinge ist sehr begrenzt, sie kommen schließlich in einem Zimmer auf dem Hof von Ida Eckhoff unter. Das Landleben ist hart und hinterlässt seine Spuren.
Jahrzehnte später steht Hildegards Enkelin Anne vor den Trümmern ihres Lebens. Der Freund und Vater ihres Kindes Leon liebt eine andere, das hippe Leben in Hamburg-Ottensen macht sie fertig, ihre Arbeit ist eine einzige Enttäuschung. Sie flüchtet ausgerechnet an die Tür des Hofes im Alten Land, vor dem auch ihre Großmutter und Tante einst standen.

Altes Land, der Debütroman von Dörte Hansen, erschien 2015 bei Knaus, die aktuelle Auflage wird seit 2017 bei Penguin, beides Imprints von Random House, verlegt. Der Roman umfasst 304 Seiten, die sich in 26 Kapitel gliedern.

Ein altes Bauernhaus im Alten Land ist das Zentrum des Romans. Viel hat es erlebt, jetzt in der Gegenwart ist es abgelebt. Vera wurde es nie richtig zur Heimat, trotzdem gehört es unzweifelhaft zu ihr. Genauso ist es mit dem Dorf, in dem sie, das »Polackenkind« aufwuchs. Zwischen Kirsch- und Apfelbäumen, Pferden und kauzigen Bauern. Ihre ganze Welt und doch ist sie nie richtig mit ihr verschmolzen.

Lesedauer3 Min, 68 Sek
Titel: NSA – Nationales Sicherheits-Amt
Autor*in: Andreas Eschbach
Verlag: Bastei Lübbe
Erschienen: 28.02.2020
Seiten: 796

Andreas Eschbach nimmt uns mit in ein alternatives Drittes Reich, dem die überwachungstechnischen Möglichkeiten von heute und morgen zur Verfügung stehen. Ein erschreckender Denkanstoß.

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Weimar mitten in der NS-Zeit. Helene Bodenkamp arbeitet als Programmstrickerin beim kaum bekannten Nationalen Sicherheits-Amt NSA. Tagein tagaus strickt sie Abfragen an ihrem Komputer, um aus den schier endlosen Datenbeständen des Dritten Reichs nützliche Erkenntnisse zu erlangen. Jedenfalls glaubt sie das. Als Heinrich Himmler persönlich das Amt besucht, bekommt sie erstmals mit, wozu ihre Arbeit wirklich nutzt und ist schockiert.
Unterdessen weiß ihr Kollege Eugen Lettke genau, was das NSA tut. Als Analyst wertet er die Abfrageergebnisse aus, die die Programmstrickerinnen für ihn erstellen. Aber Eugen hat auch ganz persönliche Motive für seine Arbeit beim NSA und die ziehen ihn mehr und mehr in den Abgrund.

NSA Nationales Sicherheits-Amt ist der aktuelle Roman von Andreas Eschbach. Das Buch erschien 2020 bei Bastei Lübbe und umfasst 796 Seiten.

Meine Güte, was für ein scheiß trostloses Buch! Damit könnte schon alles über NSA Nationales Sicherheits-Amt gesagt sein. Könnte, wäre es nicht so enorm politisch und in Zeiten von Big Data und zunehmender Überwachung so furchtbar aktuell.

Andreas Eschbach entwirft in seinem Roman eine alternative Realität der NS-Zeit. Die technologische Entwicklung ist nah am heutigen Zustand bzw. im Verlauf des Buches ein Stück weiter, es gibt Komputer, das Weltnetz, Datensilos (aka. Cloud-Services) und das Deutsche Forum als Social-Media-Komponente. Bargeld ist abgeschafft, bezahlt wird mit dem Mobiltelefon, das eine gar nicht verblüffende Ähnlichkeit zu heutigen Smartphones hat. Und es gibt Big Data. Der Staat sammelt alles und er wertet es aus. Hier kommen die Programmstrickerinnen ins Spiel und damit Helene Bodenkamp.

Lesedauer3 Min, 43 Sek
Titel: Paradise City
Autor*in: Zoë Beck
Verlag: Suhrkamp
Erschienen: 21.06.2020
Seiten: 281

Technologiekritik leicht zugänglich und in eine spannende Geschichte verpackt. Zoë Beck nimmt uns mit in eine düstere Zukunft Deutschlands, in der Fake News und Algorithmen regieren.

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Deutschland in einer nicht allzu fernen Zukunft. Die Klimakrise und Pandemien haben zugeschlagen, weite Teile des Landes sind unbewohnt oder unbewohnbar. Die Bevölkerung hat es in die Megacitys gezogen, der ländliche Raum ist weitgehend entvölkert. Frankfurt am Main, das sich mittlerweile über weite Teile des Rhein-Main-Gebietes erstreckt, ist die neue Bundeshauptstadt. Es regieren insbesondere Fake News und Algorithmen.
Liina ist Investigativjournalistin bei einer der letzten nicht-staatlichen Nachrichtenagenturen. Während ihr Chef Yassin sie zu einer vermeintlich unspektakulären Geschichte in die Uckermark schickt, obwohl er sie für eine große Sache einplante, erleidet er einen mysteriösen Unfall und liegt nun im Koma. Zeitgleich stirbt eine Kollegin. Als Liina, Özlem und Ethan Nachforschungen beginnen, geraten auch ihre Leben zunehmend in Gefahr. Immer tiefer tauchen sie in einen Abgrund ein, in dem außer Kontrolle geratene Algorithmen das Leben der Bevölkerung bedrohen.

Paradise City ist der aktuelle Thriller von Zoë Beck. Das Buch erschien im Juni 2020 bei Suhrkamp und umfasst 281 Seiten, die sich in 20 Kapitel gliedern. Für mein Rezensionsexemplar darf ich mich beim Verlag und Vorablesen bedanken.

Zoë Beck zeichnet in Paradise City erneut eine düstere Weiterentwicklung der aktuellen Zustände. Der Kampf gegen die Klimakrise ist verloren, die Verselbstständlichung der Algorithmen im Falle der Geschichte vor allem der des Gesundheitssystems ist über einen Punkt hinaus geraten, der ursprünglich nicht für möglich gehalten wurde. Vom freiheitlich-demokratischen System ist nicht allzu viel übrig, ebenso von der freien Presse. In den Ballungszentren, die sich auf Megametropolen beschränken, lebt es sich technisch angenehm, wenn man sich mit den Zuständen abfindet. Tut man das nicht, sondert einen das System aus. Das sind die sog. Parallelen, die in entvölkerten Gegenden unter primitivsten Umständen leben Kranke, psychisch Beeinträchtigte, Behinderte und allgemein Menschen, die mit dem System nicht klar kommen. In ihrer Kindheit hat Liina diese Menschen kennengelernt, mittlerweile sind sie von der Bildfläche verschwunden.

Lesedauer3 Min, 23 Sek
Titel: Pandatage
Autor*in: James Gould-Bourn
Verlag: KiWi
Erschienen: 02.05.2020
Seiten: 384

Tod, Trauer, Depressionen und Mobbing verbunden zu einer wirklich schönen Mutmachgeschichte. Ein gelungenes Debüt, das neugierig auf mehr macht.

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Seit Liz bei einem Unfall gestorben ist, ist Dannys und Wills Leben kaputt. Danny vermisst seine Frau, versinkt in einer Depression und bekommt auch finanziell immer größere Probleme. Der zwölfjährige Will geht mit der Trauer um seine Mutter drastischer um: Seit dem tragischen Tag hat er kein Wort mehr gesprochen.
Als Danny auch noch seine Arbeit als Bauhelfer verliert und sein mafiöser Vermieter Reg ihm ganz konkret ans Leder will, stürzt er sich völlig unvorbereitet in die Straßenkunst. Verkleidet als Panda verlaufen seine ersten Tanzversuche desaströs, bis er Pole-Tänzerin Krystal begegnet. Sie nimmt sich seiner an und es geht bergauf. Und nach einer Rettungsaktion beginnt sogar Will mit dem vermeintlich fremden Panda zu sprechen.

Pandatage ist der Debütroman von James Gould-Bourn. Das Buch erschien am 02.05.2020 bei Kiepenheuer & Witsch und umfasst 384 Seiten. Für mein Rezensionsexemplar darf ich mich beim Verlag und NetGalley bedanken.

Danny und Will stecken in der Trauer um ihre Frau und Mutter Liz fest. Mit zunehmender Geschwindigkeit gerät ihr Leben außer Kontrolle. Danny versucht Will zwar vor den größten Problemen zu schützen, doch das gelingt ihm immer schlechter. Als ihr Vermieter den Druck drastisch erhöht und Danny auch noch seinen Job verliert, hat er eher zufällig eine Idee: Er will sich als Straßenkünstler versuchen. Schnell ist ein verschlissenes Pandakostüm gekauft, bleibt nur noch die Frage, was er in seiner neuen Rolle nun machen soll. Er versucht sich mit dem Tanzen, muss aber schnell feststellen, dass das eher nicht zu seinen Talenten gehört. Das ändert sich, als die Pole-Tänzerin Krystal auf ihn aufmerksam wird. Danny kann sie davon überzeugen, ihn das Tanzen zu lehren. Und als Will zufällig in genau dem Park, in dem Danny tanzt, von Mitschülern angegriffen wird und der Panda ihn rettet, spricht Will erstmals wieder. Allerdings ohne zu wissen, mit wem er da wirklich spricht.

Lesedauer2 Min, 48 Sek
Titel: Der größte Kapitän aller Zeiten
Autor*in: Dave Eggers
Verlag: KiWi
Erschienen: 08.04.2020
Seiten: 128

Dave Eggers' Abrechnung mit den USA unter Trump. Eine beißende Satire gegen Regierung, Gesellschaft und das große Ganze. Ein Eggers in Topform.

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Als der höchst respektierte alte Kapitän der Glory in den Ruhestand geht, übernimmt überraschend ein grober, lauter Mann mit einer gelben Feder im Haar die Nachfolge. Ohne jegliche Kenntnisse, aber mit einem völlig übersteigerten Selbstbewusstsein ausgestattet, will er alles anders und vor allem besser machen. Er wirft sämtliche Regeln über den Haufen, doch als er den Hellen, einen grausamen Piraten und erklärten Feind der Glory, an Bord begrüßt, beginnt ihm das Ruder aus den Händen zu gleiten mit fatalen Folgen.

Der größte Kapitän aller Zeiten ist das zweite Buch, das von Dave Eggers am 8. April 2020 bei Kiepenheuer & Witsch erscheint. Die satirische Novelle umfasst 128 Seiten, die sich in 18 Kapitel gliedern. Das Buch wurde von Nathaniel Russel illustriert. Für mein Rezensionsexemplar darf ich mich einmal mehr bei KiWi und NetGalley bedanken.

Der größte Kapitän aller Zeiten ist zweifellos ein Eggers. Man muss nicht lange lesen, da fällt sein so typischer Stil ins Auge. Bissige Satire, kaum (das ist äußerst geschönt) versteckte Anspielungen auf die Ziele seines Werks und eine recht einfache Sprache. Eggers weiß, wie man Missstände anspricht, so dass sie jeder verstehen kann.

Sein Ziel, die USA in Zeiten von Donald Trump. Am Offensichtlichsten ist da die Kritik an Trump selber, gespielt durch den Kapitän mit der gelben Feder im Haar. Eggers nutzt ein breites Repertoire an Ansatzpunkten für Spott sicher nicht das volle, das dürfte schwer sein, aber doch ein breites. Man weiß sofort, um wen es geht und man kommt, gerade in der Anfangsphase, kaum aus dem Schmunzeln raus. Sei es nun die besondere Beziehung zu seiner Tochter oder die Wegwischtafel in der Cafeteria.

Lesedauer3 Min, 28 Sek
Titel: Die Parade
Autor*in: Dave Eggers
Verlag: KiWi
Erschienen: 08.04.2020
Seiten: 192

Eggers' Parabel über westliche Aufbauhilfe. Ein beeindruckend spannendes Buch, obwohl es extrem minimalistisch und kaum spannend daher kommt. Ein Buch, das nachwirkt.

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Vier und Neun kommen als Straßenbauer für einen großen Konzern in ein vom Bürgerkrieg zerstörtes Land. Sie sollen einen modernen Highway zwischen dem armen Süden und dem reichen Norden bauen. Während Vier das Geschäft kennt und so stoisch und regelkonform wie möglich die Arbeit verrichten will, gerät er zunehmend in Konflikt mit Neun, einem Lebemann, der gegen alle Konzernregeln möglichst viele Erfahrungen mit der fremden Kultur mitnehmen möchte. Als einer der beiden plötzlich schwer erkrankt, beginnt ihr Leben dramatische Wendungen zu nehmen und über allem schwebt die Frage, ob sie den Menschen wirklich helfen.

Die Parade ist Dave Eggers' neuester Roman. Er erschien 2020 bei Kiepenheuer & Witsch und umfasst 192 Seiten, die sich in 23 Kapitel gliedern. Die Parade ist als Parabel angelegt. Für mein Rezensionsexemplar bedanke ich mich bei KiWi und NetGalley.

Die Parade war für mich so eine typische Zufallswiederentdeckung. Meine ersten Erfahrungen mit Dave Eggers hatte ich vor Jahren mit Der Circle gemacht, ich war rundum begeistert, hatte mir vorgenommen, insbesondere noch an seine ausgezeichneten Bücher zu gehen, das ging dann irgendwie vergessen (ihr kennt das). Dann wurde mir Die Parade zufällig auf NetGalley empfohlen und ich dachte mir, Eggers, da war doch was, bei KiWi, dann kann schon nichts schief gehen, fragste mal an. Und siehe da, alles richtig gemacht.

Lesedauer2 Min, 43 Sek
Titel: Ostfriesenhölle
Autor*in: Klaus-Peter Wolf
Verlag: S. Fischer
Erschienen: 20.02.2020
Seiten: 528

YouTube, Landespolitik, Rüstungskonzerne und leider ein rassistischer Witz. Klaus-Peter Wolf erklimmt mit Ann Kathrin Klaasen die nächste Stufe.

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Auf Langeoog fällt der junge Cosmo Schnell bei einem Fahrradausflug mit seiner Mutter plötzlich vom Rad und stirbt. Die Mutter verdächtigt seinen Freund Marvin ihn vergiftet zu haben. Pikant daran, Marvin ist der Enkel des niedersächsischen Innenministers. Sie entführt ihn und wird wenig später tot aufgefunden. Weitere Menschen, die lose mit Cosmo und Marvin in Verbindung standen, sterben. Und plötzlich wird der Innenminister erpresst.

Ostfriesenhölle ist der vierzehnte Band in Klaus-Peter Wolfs Reihe Ann Kathrin Klaasen ermittelt. Der Ostfrieslandkrimi erschien 2020 bei S. Fischer und umfasst 528 Seiten.

Der neuste Fall für Ann Kathrin Klaasen und die Kripo Aurich beginnt einigermaßen unspektakulär, steigert sich dann aber schnell. Auf den plötzlichen Tod Cosmos folgt eine Entführung, auf die Entführung der Tod von Cosmos Mutter und eine weitere Entführung. Während Frank Weller mit eingegipsten Armen nur bedingt einsatztauglich ist (was ihn allerdings nicht vom Dienst abhält), rennt die Kripo den Geschehnissen hinterher. Menschen werden vergiftet, Marvin ist verschwunden und ganz langsam entwickelt sich ein großes Ganzes.

Ostfriesenhölle ist, was die Dimensionen des Falls angeht, ein gutes Stück größer, als man das bisher gewohnt war. Man könnte sagen, Wolfs neuster Klaasen-Band hat eine ungewohnt deutliche politische Dimension. Der Fall geht bis in die Landespolitik, Rüstungskonzerne und ihre schmutzigen Geschäfte spielen eine Hauptrolle. Wolf spinnt daraus ein Konstrukt, das in sich stimmig daher kommt und bestens in die Reihe passt und wahrscheinlich nicht so ganz an der Realität vorbei geht.