Wut (von Bob Woodward)
Autor: Bob Woodward
Erschienen: 2020
Seiten: 490

Das ist er also, der zweite Teil von Bob Woodwards Begleitung der Präsidentschaft Donald Trumps. Besonders, weil ein Unterschied zum ersten Teil Furcht, beruhte damals noch alles höchstens auf Informationen aus dem Umfeld des Präsidenten, so ließ sich Trump für dieses Buch nun auch selber interviewen. Wohl auch, um sein Bild ins rechte Licht zu rücken – was man wohl als übermotiviert und erwartungsgemäß gescheitert betrachten darf. Trotzdem wird der Einblick durch die O-Töne noch mal um einiges besser. Auch wenn die oft ziemlich weh tun. Körperlich.
Auch wenn sich Wut im Kern weitgehend um den Nordkorea-, den China-Konflikt und die Covid-19-Pandemie dreht, beginnt Woodward das Buch im November 2016, also zu Zeiten des President-Elect Donald Trump. Woodward zeichnet dabei insbesondere die Wege von James Mattis, Rex Tillerson und Dan Coats ins Kabinett des künftigen US-Präsidenten nach. Was sie trieb, wie sie sich überzeugen ließen und welche persönlichen Konflikte dabei auftraten – denn solche gab es durchaus. Hier geht er dem Reportageformat entsprechend sehr neutral mit den einzelnen Beteiligten um. Das ist vom journalistischen Standpunkt her gut, trotzdem muss ich es kritisieren, weil insbesondere diejenigen, die von Trump selber überzeugt sind, dabei zu unkritisch wegkommen, während Woodward später mit diesem journalistischen Anspruch hadert. Dazu unten mehr.
Was mit Wut tatsächlich wieder gut gelingt, ist die Abbildung des organisatorischen Chaos‘ der Präsidentschaft. Die schließt sich nahtlos an Furcht an, wo sie im Fokus lag. Woodward fängt den verzweifelten Kampf insbesondere des DNI Dan Coats glaubhaft und ziemlich mitreißend ein, wenn er schlicht versucht, seinen Job nach seinen persönlichen Maßstäben zu machen, dabei aber ständig aus der Ecke behindert wird. Die persönliche Verzweiflung ist mit Händen greifbar.
Ende 2019, also kurz vor Beginn des letzten Jahres seiner Amtszeit beginnen dann die 17 Interviews mit Donald Trump selbst, die Woodward meist im Wortlaut wiedergibt. Zusammen mit dem Briefwechsel zwischen Trump und dem nordkoreanischen Machthaber Kim Jong-un bilden sie wohl den spannendsten Teil von Wut, weil sie persönlicher als alles andere an Trump heran führen. Besonders die Interviews zeugen von einer kolossalen Selbstüberschätzung bei weitgehender Unwissenheit und Beratungsresistenz des Präsidenten. Wie schwer dieser Teil der Recherche auch Woodward gefallen sein muss, zeigt sich im Verlauf der Interviews. Denn inhaltlich ändert sich mit der Zeit da einiges, besonders mit Fortschreiten der Covid-19-Pandemie und dem katastrophalen Krisenmanagement der US-Administration. Woodward verlässt den strikt journalistischen Pfad und beginnt – erst vorsichtig, später immer eindringlicher – seinen Zugang zu Trump nutzen zu wollen, um ihn zu einem ernsthafteren Umgang mit der Pandemie zu bewegen. Das kann ich angesichts des katastrophalen Verlaufs in den USA einerseits verstehen, andererseits komme ich hier aber wieder zurück zu meiner Kritik vom Anfang. Denn wenn Woodward den journalistischen Anspruch in einem für das Buch so zentralen Bereich schleifen lässt, könnte er auch die eingangs erwähnten Amtsträger kritischer beurteilen. Aus heiterem Himmel sind die meisten von denen nämlich wohl kaum im Sumpf der Administration gelandet. Ein Mike Pence beispielsweise ist auch ohne Trump keine unproblematische Figur. Da mutet es für mich schon merkwürdig an, wenn sein evangelikaler Hintergrund im Buch vor allem als geistiger Rückhalt im Sinne von »schlimme Zeiten, aber Gott hat mich ausgewählt, damit es nicht noch schlimmer wird« beschrieben wird.
Trotzdem, die Interviews sind das bemerkenswerteste, was das ganze Buch liefert. Und in einem dieser Interviews findet sich auch das vielleicht beste Mittel zur Charakterisierung Donald Trumps. Es geht dabei um die sog. Ukraine-Affäre, die auch ein juristisches Nachspiel hatte. Trump hatte Hilfsgelder an die Ukraine hinter geschlossenen Türen an die Bedingung geknüpft, dass die Ukraine Ermittlungen wegen Korruption gegen Hunter Biden forciert. Bob Woodward versucht im Interview nun, Trump zu erklären, warum es juristisch einen gewaltigen Unterschied macht, ob man den gemeinsamen Kampf gegen Korruption fördert oder Ermittlungen gegen Angehörige eines politischen Konkurrenten mit der Vorenthaltung von finanziellen Hilfen erpresst. Er gibt sich da wirklich Mühe und man kann seine Verzweiflung quasi zwischen den Zeilen lesen. Trump hingegen versteht diesen Unterschied beim besten Willen nicht und greift vehement die ach so unfairen Ermittlungen gegen ihn an – das ist der Teil, den man auch in den Medien, insbesondere auf Twitter, minutiös verfolgen konnte. Bemerkenswert ist dabei die Erkenntnis, dass der Horizont des scheidenden Präsidenten tatsächlich so beschränkt ist, wie es sein öffentliches Auftreten vermittelt, und eben nicht nur eine umfassende und ziemlich erfolgreiche Kommunikationsstrategie.
Abschließend sei gesagt, dass Wut nach Furcht wieder bemerkenswerte Einblicke liefert. Bob Woodward kommt aufgrund seiner langjährigen Reputation außergewöhnlich nah an die US-Präsidenten heran, da macht selbst Donald Trump keinen Unterschied. Damit und mit der akribischen Recherche bietet das Buch einen tiefen Einblick in Charakter und Funktionsweise auch dieser Präsidentschaft.
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Zeitoun (von Dave Eggers)
Autor: Dave Eggers
Erschienen: 2012
Seiten: 368

Zeitoun (sprich: Seytuun) kommt aus meiner ›Was ich mich noch nicht zu lesen getraut habe‹-Schublade. Dort fristete der Tatsachenbericht, zusammen mit noch einigen anderen früheren Werken von Dave Eggers, ein kuscheliges Leben. Jetzt fehlt mir ein wenig der aktuelle Nachschub, also gehe ich die mal an.
Das Buch erzählt die traumatischen Erlebnisse der Familie Zeitoun aus New Orleans im Rahmen von Hurrikan Katrina im Sommer 2005. Abdulrahman (sein Rufname ist sein Nachname) und Kathy Zeitoun führen einen erfolgreichen Handwerksbetrieb, sind angesehen in New Orleans, bis Katrina ihr Leben auf den Kopf stellt. Als sich der Hurrikan ankündigt, verlässt Kathy mit den vier Kindern die Stadt, um sich in Sicherheit zu bringen. Zeitoun lässt sich nicht überzeugen, mit ihnen zu kommen, er will auf ihre zahlreichen Immobilien aufpassen und sichert noch bis zum letzten Moment die Häuser seiner Kunden.
Als Katrina die Stadt schließlich viel härter, als erwartet, getroffen hat, schnappt sich Zeitoun sein Kanu und paddelt durch die überschwemmte Stadt, immer auf der Suche nach Menschen und Tieren, denen er helfen kann. Kathy und sein Bruder Ahmed, durch allerlei Horrornachrichten in immer größerer Sorge, beknien ihn, die Stadt zu verlassen, doch Zeitoun muss helfen. Dann verschwindet er plötzlich und das Martyrium der Familie beginnt.
Zeitoun entstand aus dem Buch Voices of the Storm des Projekts Voice of Witness. Das Projekt erzählt die Geschichten von Zeitzeugen von Menschenrechtsverletzungen. Voices of the Storm befasst sich mit den ausufernden Menschenrechtsverletzungen in der Folge von Hurrikan Katrina in New Orleans, als die frisch ins noch relativ junge Department of Homeland Security eingegliederte US-Katastrophenschutzbehörde FEMA vollständig die Kontrolle über das Chaos vor Ort verlor. In der Folge kam es zu rassistischen Verhaftungen, Folter, Inhaftierungen nach Vorbild des Patriot Acts und anderen Menschenrechtsverletzungen durch Behörden und Sicherheitskräfte. Vieles erinnerte an das Folterlager Guantanamo.
Dave Eggers erzählt nun, gesichert und so authentisch wie möglich, insbesondere die Geschichte von Zeitoun, der am 6. September mit drei anderen Männern in einem seiner Mietshäuser von einem wild zusammengewürfelten Trupp aus Polizei, Nationalgarde und anderen ohne rechtsstaatliche Grundlage verhaftet und zunächst in das provisorische Gefangenenlager Camp Greyhound verschleppt wird. Häftlingsrechte werden ihm verwehrt, auch Kathy erfährt nichts von dem Vorgang. Eggers erzählt die Geschichte nach Bedarf im Wechsel aus Zeitouns und Kathys Sicht. Sein Stil ist der Geschichte angemessen, er beschönigt nichts noch verliert er sich in langatmigen Details. Insofern fiel es mir einerseits nicht schwer, mich in die Protagonisten hinein zu fühlen, andererseits sehr schwer, das Buch zur Seite zu legen. Das Wissen, dass das Gelesene so stattgefunden hat, macht es an nicht wenigen Stellen recht schwer zu ertragen.
Zeitoun ist ein Beleg dafür, wie dünn die Zivilisationsdecke sein kann. Erschwerend kommt dabei hinzu, dass das Szenario um Katrina nicht im rechtsfreien Raum stattgefunden hat. Natürlich war die fatale Überforderung der FEMA-Führung ein Ausnahmezustand, der so nicht eintreten darf. Die rechtlichen Grundlagen für das, was dann vor Ort im Sicherheitsapparat passierte, existieren aber tatsächlich – jedenfalls als Vorlage. Insofern muss man, selbst wenn die Anwendung dieser Rechtsgrundlagen im konkreten Fall illegitim gewesen sein sollte, immer im Hinterkopf behalten, dass die Sicherheitskräfte nicht im luftleeren Raum freigedreht haben. Im Zweifel haben sie sich auf die Gesetzgebung gestützt und wähnten sich dabei im Recht. Das kann eben in der Form auch nur passieren, wenn man derart repressive Gesetzeslagen, wie etwa die US-amerikanischen sog. Antiterrorgesetze eine sind, hat. Das mag, während ein Ausnahmezustand eskaliert, erstmal nebensächlich sein, für die juristische Aufarbeitung ist es aber sehr problematisch.
Zusammenfassend: Nicht unbedingt leichte Kost, aber sehr gut umgesetzt und geschrieben. Zeitoun ist ein nicht unwichtiges Zeitdokument über ein dunkles Kapitel US-amerikanischer Justiz.
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Was weiße Menschen nicht über Rassismus hören wollen, aber wissen sollten (von Alice Hasters)
Autor: Alice Hasters
Erschienen: 2019
Seiten: 211

Gehören Sie auch zu den Menschen, die noch nie Fremden gegenüber ihren Stammbaum offenlegen mussten? Oder von ihnen ungefragt in die Haare gefasst bekamen? Oder oder oder. Finden auch Sie das extrem verstörend bis absurd, halten es deshalb gar für ein Märchen?
Dann geht es Ihnen wie einst mir und wir müssen dringend unseren Horizont erweitern. Denn all das ist Realität in diesem Lande. Nicht für uns weiße, aber für Schwarze Menschen.
Was weiße Menschen nicht über Rassismus hören wollen, aber wissen sollten ist Alice Hasters‘ erstes Buch. Es erschien 2019 bei hanserblau, einem Imprint des Carl Hanser Verlags und umfasst 211 Textseiten, die sich in fünf Kapitel mit Unterkapiteln gliedern.
Ein paar vorbereitende Worte. Das hier wird keine für mich typische Rezension. Es wird wahrscheinlich mehr Raum auf mich, als auf Kritik am Buch fallen. Das hat primär zwei miteinander zusammenhängende Gründe: Erstens bin ich nicht der Meinung, dass es mir zusteht, das Werk inhaltlich zu kritisieren. Ich bin ein Weißbrot, mir fehlt der Erfahrungshorizont und es steht mir nicht zu, den Erfahrungshorizont von Betroffenen zu hinterfragen oder gar zu werten. Und zweitens halte ich es für eine sinnvolle Herangehensweise, das Buch insbesondere mit Selbsterkenntnissen, die ich ihm verdanke, vorzustellen. Denn es braucht leider ein gewisses Maß an Offenheit und Kritikfähigkeit, um sich dem Thema zu nähern. Der (weiße) öffentliche Diskurs – falls man das in vielen Fällen überhaupt Diskurs nennen kann – hilft nämlich kein bisschen dabei, sich auf die Reflexion der eigenen, ganz persönlichen Rolle gerade im systemischen Rassismus einzulassen. Soll heißen, das Buch schmerzt; aber da müssen wir dringend durch, meine blassen Mitmenschen.
Ich bin ein Kind der 80er und 90er, dörflich aufgewachsen und geprägt. In der Schule haben wir ausführlich Drittes Reich und Holocaust behandelt. Wir sind die Generation, die der Großelterngeneration die Kollektivschuld genommen haben soll und zur Individualschuld schwenkte. Dafür hat man uns nach Gusto gefeiert und verflucht. In den 90ern hatten wir Rostock-Lichtenhagen, Solingen und Mölln – große Schweigemärsche im Klassen- und Schulverband. Überhaupt, unsere Klassen im Gymnasium waren moderat durchmischt, die Herkunft spielte keine Rolle. Wir sind mit einem Bewusstsein aufgewachsen, als Deutsche eine besondere Verantwortung für die Zukunft zu tragen. Rassismus meinten wir zu erkennen, selber rassistisch konnten wir kaum sein, wir hatten ja aus der Vergangenheit gelernt.
Wenn man Was weiße Menschen nicht über Rassismus hören wollen, aber wissen sollten aufschlägt, sollte man sich von diesem Selbstbild schon mal verabschieden. Anhand zahlreicher Alltagsbeispiele wird Alice Hasters es zerlegen. Ihr zentraler Punkt: Es besteht ein Unterschied zwischen Rassismus und rassistischem Verhalten und den sollten wir endlich begreifen und annehmen, weil sich sonst nie etwas verändern wird. Rassismus ist systemisch und absichtsvoll, rassistisches Verhalten zeigt jede*r, meist unbewusst und ungewollt, aber das ändert nichts an der Tatsache. Rassistisches Verhalten ist oftmals der sog. Alltagsrassismus. Es fällt uns (weißen) nicht auf, weil es internalisiert ist, weil wir gewisse historische Hintergründe schlicht nicht lernen. Wer hatte in der Schule Kontakt mit der deutschen Kolonialgeschichte, abgesehen davon dass sie sehr kurz war und alleine deshalb schon viel weniger relevant sein kann, als die der ›großen‹ Kolonialreiche (wir waren übrigens das drittgrößte)? Wer lernte in der Schule etwas darüber, dass wir Deutschen nicht nur den grausamsten (hier zu ranken fühlt sich wirklich falsch an) Völkermord des 20. Jahrhunderts verbrochen haben, sondern dazu auch noch einen zweiten, der der erste des noch jungen Jahrhunderts war (der an den Herero und Nama)? Oder unsere großen Philosophen, Kant, Hegel, Marx und wie sie alle hießen. Nicht einmal als ich an der Uni Soziologie lernte und wir bei Kant vorbei kamen, wurde sein güldener Schein der aufklärerischen Lichtgestalt angekratzt. Dabei läge nichts näher. Denn Kant verdanken wir nicht nur den Kategorischen Imperativ, auch die sog. Rassenlehre hat er maßgeblich mitgeprägt. Das lässt den Kategorischen Imperativ, wie wir ihn heute verstehen, doch ein wenig anders aussehen. Es macht ihn nicht schlechter, denn wir verstehen ihn heute ja als universal, aber man sollte sich klar machen, dass Kant ihn wohl vor allem zum Wohle der Weißen verstanden hat.
Und so gibt es eine gewaltige Zahl historischer Lücken in unserem Allgemeinwissen, die bis heute dazu führen, dass wir uns unbewusst rassistisch verhalten und unsere Mitmenschen verletzen. Alice Hasters führt uns durch ihre Lebensgeschichte anhand von Ereignissen, die sie geprägt haben, und deckt mit viel Geduld blinde Flecken auf. Sie gliedert das Buch in die Kapitel Alltag, Schule, Körper, Liebe und Familie. Innerhalb dieser Kapitel stellt sie in Unterkapiteln jeweils ein rassistisches Erlebnis aus ihrer Vergangenheit vor, erläutert dann Hintergründe und ordnet sie ein, und schließt die Situation ab. So erreicht sie, dass die Materie für ein Sachbuch nie wirklich trocken wird. In viele Situationen kann man sich mit wenig Anstrengung hineinversetzen, so gut gelingt ihr die Verknüpfung von Situation und Hintergründen. Eine Fülle von Oha-Momenten ist das Ergebnis, nicht selten drastischen. Ich bin beispielsweise beeindruckt, dass ich nie drauf kam, Clint Eastwoods gefeiertes Werk Gran Torino könnte ein ziemlich rassistisches sein. Der Film wird genau für das Gegenteil gefeiert. Dabei ist es, wenn man mal den Blickwinkel ändert, so offensichtlich. Der Rassist mit dem Herz am rechten Fleck, der im Hmong-dominierten Vorortviertel lebt. Alle leiden unter der Gang, die natürlich auch aus Hmong besteht. Der Rassist lernt die Kultur seiner Nachbarschaft eher unfreiwillig kennen, beginnt freundschaftliche Bindungen zu einigen und rettet am Ende, als sich die Hmong nicht mehr alleine vor der Gang retten können, unter Einsatz seines Lebens die neugewonnenen Freunde. Message: PoC machen Probleme und es braucht den heroischen Weißen, der sie rettet. Ein Plot, der sich durch die gesamte westliche Filmindustrie zieht – wahrscheinlich ist er deshalb so internalisiert, dass man den Rassismus übersieht. Und ein Plot, der sich durch die gesamte weiße Kolonialgeschichte und ihre Auswirkungen bis heute zieht. Zufälle gibt’s …
Was weiße Menschen nicht über Rassismus hören wollen, aber wissen sollten ist, obwohl im Sachbuchsegment verortet, ein ausgesprochen persönliches Buch und darin liegt für mich auch der Hauptgrund, es so wärmstens als Einstieg in die Auseinandersetzung mit dem eigenen Rassismus zu empfehlen. Denn, wie schon gesagt, diese Auseinandersetzung tut weh und was weh tut aktiviert Abwehrreflexe. Durch die persönliche Ebene braucht es aber einerseits nicht allzu viel Empathie, um die Verletzungen, die man PoC ganz alltäglich direkt oder indirekt ungewollt zufügt, als eben das, was sie sind, zu erkennen. Und andererseits fällt es wirklich schwer, die Abwehrreflexe hoch zu fahren und Hasters böse dafür zu sein, dass sie sie uns vor die Nase hält. Es gibt andere Sachbücher, die in der Sache tiefer gehen, sich dafür aber auch distanzierter lesen lassen. Es gibt Belletristik, die das Thema behandelt, bei der man sich aber leicht auf eine sichere Position zurückziehen kann, weil die Geschichte ja fiktional ist. Gerade für den Einstieg ist es aber durchaus sinnvoll, sich so wenig Wege wie möglich zu erhalten, sich aus der Affäre zu ziehen und genau das macht Alice Hasters außerordentlich gut.
Also, lest dieses Buch! Am Besten mehrmals. Es macht zwar wenig Spaß, sich mit dem eigenen Rassismus zu beschäftigen, aber es muss getan werden und es ist die einzige Möglichkeit, Rassismus irgendwann mal dahin zu packen, wo er hingehört. Auf den Müllhaufen der Geschichte.
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Furcht: Trump im Weißen Haus (von Bob Woodward)
Autor: Bob Woodward
Erschienen: 2018
Seiten: 544

Der 8. November 2016 stellte einen politischen Wendepunkt für die USA dar. Mit Donald Trump wurde ein Kandidat ins höchste Amt gewählt, der wie kaum ein zweiter die Gesellschaft aktiv spaltet und daraus auch keinerlei Hehl macht.
Mit seinem Einzug ins Weiße Haus am 20. Januar 2017 flogen dort alle etablierten Abläufe über den Haufen. Es verging kaum Zeit, bis Informationen aus den engsten Kreisen belegten, welche Zustände nun herrschten: Ein Klima aus Angst, Sprunghaftigkeit, Unbelehrbarkeit und politischer Lähmung.
In Furcht porträtiert Journalistenikone Bob Woodward Wahlkampf und Präsidentschaft Donald Trumps bis etwa Ende des ersten Jahres. Das Buch erschien 2018 bei Rowohlt und umfasst 544 Seiten, die sich in 43 Kapitel gliedern.
Furcht erzählt das ganze Chaos, das im Weißen Haus unter der Trump-Präsidentschaft herrscht. Bob Woodward hat dazu einen enormen Rechercheaufwand betrieben – zahllose Interviews mit Beteiligten, Gesprächsprotokolle und Dokumente sind in die Arbeit am Buch eingeflossen. Das beschränkt sich nicht auf Querschützen aus den hinteren Reihen, Woodward hat Trumps Spitzenpersonal befragt. Das macht das Buch umso erschreckender.
Es zeichnet das Bild einer Präsidentschaft ohne übergeordnete Strategie, ohne einen Präsidenten, der sich von seinen Beratern beraten lässt, ohne Rücksicht auf protokollarische Abläufe – kurz, das pure Chaos an der Machtspitze der weltpolitisch maßgeblichen Nation. Dabei beschränken sich die Ursachen für diesen Zustand nicht auf Trump selber, auch wenn er großen Anteil hat. Zahlreiche der Personen in seinem engsten Kreis arbeiten rücksichtslos gegeneinander, um ihre Interessen durchzudrücken. Kein Job ist sicher, denn der Präsident hat seine vorgefertigten Meinungen, lässt sich von denen nicht abbringen und sein Verständnis von Loyalität, das auf ihm gegenüber vorbehaltlosem Ja-Sagertum basiert, hängt wie ein Damoklesschwert über der Arbeitsplatzsicherheit eines Jeden.
Mitte 2017 erschien unter dem Eindruck der ersten Monate von Trumps Präsidentschaft Sam Bournes Der Präsident. Damals konnte man sich wohl noch damit beruhigen, dass der Roman, in dem ein ›fiktiver‹ US-Präsident um ein Haar einen Atomkrieg auslöst, schon überspitzt sein muss. Ich hielt das Buch damals für visionär. Bournes Darstellung des von Vorurteilen, Selbstüberschätzung und extremistischen Beratern getriebenen Präsidenten passte einfach zu gut auf die Situation insbesondere um Trump und Bannon. Furcht bestätigt das leider. Woodward belegt, wie Trump die Weltpolitik alleine in seinem ersten Jahr mehrfach komplett ins Chaos hätte stürzen können, was wohl nur nicht geschah, weil ein paar wenige in seinem engsten Kreis seine Entscheidungen aktiv torpediert haben und er selber über eine zu geringe Aufmerksamkeitsspanne verfügt, als dass er das mitbekommen hätte.
Bemerkenswert ist, ganz im Gegensatz zu vielen anderen Veröffentlichungen über die aktuelle Präsidentschaft, dass Bob Woodward selber in Furcht weitestgehend wertfrei bleibt. Er beschränkt sich in bester journalistischer Tradition auf das Dokumentieren und überlässt die Wertung seinen Quellen. Inhaltlich ist das Buch also keineswegs wertfrei, aber dabei ist es sachlich und auf die möglichst genaue Nacherzählung der Geschehnisse beschränkt. Das wiederum macht es zu einem sehr seriösen zeitgeschichtlichen Werk – vielleicht genau das, was es braucht, um die Präsidentschaft ein bisschen mehr zu verstehen.
Furcht ist ein beeindruckendes Stück Weltgeschichte, ein Zeugnis darüber, wie gefährlich die Präsidentschaft Trump tatsächlich nicht nur für die USA ist. Ein Buch, bei dem man sich immer wieder daran erinnern muss, dass es eben kein fiktionaler Politthriller ist.
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Die Schulz-Story (von Markus Feldenkirchen)
Autor: Markus Feldenkirchen
Erschienen: 2018
Seiten: 320

2017 in Deutschland – Bundestagswahlkampf. Die SPD steckt in ihrer bis dato wohl schwersten Krise. Was sie auch macht, die Wähler rennen weg und ihre Umfragewerte fallen von einem historischen Tief ins nächste. Anfang 2017 gelingt ihr scheinbar der Coup: Martin Schulz, bislang Präsident des EU-Parlaments, soll überraschend die Kanzlerkandidatur übernehmen. Die Ankündigung ist der Startschuss für eine lange nicht mehr erlebte Euphoriewelle, die Umfragewerte steigen rasant, obwohl noch gar nichts geschehen ist. Der Bundesparteitag wählt Schulz mit dem ebenfalls historischen Ergebnis von 100%. Der Druck ist riesig. Und der Absturz wird ein tiefer sein.
Die Schulz-Story: Ein Jahr zwischen Höhenflug und Absturz ist das Ergebnis eines Jahres hautnaher Wahlkampfbegleitung durch den SPIEGEL-Journalisten Markus Feldenkirchen. Das Buch umfasst 320 Seiten und erschien 2018 bei DVA, einem Imprint von Random House. Die zugehörige SPIEGEL-Reportage wurde mit dem Nannen-Preis ausgezeichnet.
Die Schulz-Story ist ein in Deutschland bislang ziemlich einzigartiges Experiment. Martin Schulz ließ sich auf eine sehr nahe Begleitung seines gesamten Wahlkampfes durch den SPIEGEL-Journalisten Markus Feldenkirchen ein. Einzigartig ist es vor allem durch die Absprache, dass das Buch am Ende ohne Abnahme veröffentlicht würde. Damit bekam Feldenkirchen einerseits einen sehr persönlichen Einblick, andererseits die Möglichkeit ein ungeschöntes Werk zu schreiben. Martin Schulz trat einst an als Vertreter eines offenen Politikstils nahe den Menschen, das Projekt ist im Prinzip ein logischer Schritt.
Und das Projekt hat sich gelohnt, ob man Schulz oder die SPD nun mag oder nicht. Feldenkirchen berichtet detailliert über zahlreiche Stationen des Wahlkampfes, öffentliche Veranstaltungen wie Planungsmeetings. Dabei nimmt er regelmäßig eine resümierende Haltung an. Er analysiert treffsicher, wo die Ursachen für Schulz‘ fortlaufendes Scheitern lagen. Wurde Schulz selber in der medialen Wahrnehmung wegen fehlender Professionalität und ähnlichem maßgeblich für das katastrophale Wahlergebnis verantwortlich gemacht, ergibt sich durch den tieferen Einblick eine wesentlich andere Perspektive. Denn neben Schulz sind es vor allem Sigmar Gabriel und die SPD-Granden selber, die die Kampagne von Anfang an auf unruhige See geschickt haben.
So ergibt sich mit der Zeit auch ein anderes Bild von Martin Schulz selber. Zahlreiche Entscheidungen, die ihm öffentlich angelastet wurden – auch weil es offensichtlich war -, stellen sich in einem anderen Licht dar. Exemplarisch, weil es im Nachhinein betrachtet persönlich wohl der drastischste Fehler war, sei da die Entscheidung, in der Neuauflage der GroKo das Außenministerium zu übernehmen. Was nach außen wie eine machtpolitische Entscheidung und ein vollkommen offensichtlicher Fehler aussah, entpuppt sich als Teil eines vielschichtigen Prozesses, den Schulz nur noch bedingt steuern konnte. Feldenkirchen offenbart einen Prozess, der mit dem Moment beginnt, in dem Schulz als Kanzlerkandidat in Frage kommt, der sich über die gesamte Zeit spannt und auf den Schulz selber erstaunlich wenig Einfluss nehmen konnte. Man könnte sagen, er geriet in eine Maschinerie, die er, obwohl er Parteivorsitzender war, kaum steuern konnte.
Insofern zeigt Die Schulz-Story auch die ganze persönliche Tragik auf, die diese Kandidatur mit sich gebracht hat. Überhaupt ist das Buch zu einem großen Teil ein sehr persönliches. Es geht tatsächlich fast so sehr um den Privatmann Martin Schulz wie um den Kanzlerkandidaten. Feldenkirchen schreibt dabei so, dass man nicht selten mit dem Kandidaten leidet. Er wird greifbarer als die erst Lichtgestalt und dann Witzfigur, als die er vor und nach der Wahl beschrieben wurde. Möglicherweise ist das Buch auch vor allem so gut geworden, weil Schulz diese ganzen Entwicklungen erleiden musste und so krachend scheiterte. Was die Tragik nur erhöht.
Im Bereich der politischen Berichterstattung ist Die Schulz-Story auf jeden Fall ein empfehlenswertes Werk. Mehr Spitzenpolitiker, die ein Politikverständnis pflegen, das solche Begleitungen möglich macht, würden dem Ansehen der Spitzenpolitik sicher einen guten Dienst erweisen.
Transparenzblock: Diese Rezension ist auch auf meinem Profil bei mojoreads (Werbung) erschienen. mojoreads versteht sich als social bookstore und beteiligt seine User am Erlös aus Buchverkäufen, die u.a. auf ihre Rezensionen zurückgehen. Wenn du das Buch kaufen willst, würdest du mir eine Freude machen, wenn du es über meine dortige Rezension (Werbung) kaufst. Bedankt 🙂
Kurzbio

Thomas liest, schreibt drüber, ist von der Menschheit im Allgemeinen genervt und schreibt auch mal da drüber.
Letzteres tut ihm jetzt schon Leid, ersteres nicht.
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