Rezension: Menschenfischer (von Jan Seghers)
Autor: Jan Seghers
Erschienen: 2017
Seiten: 432

Im Frühjahr 1998 wird im Frankfurter Stadtteil Gallus der 13-jährige Tobias Brüning getötet und grausam verstümmelt. Die Ermittlungen, obwohl langwierig und umfassend, verlaufen im Sand, die Tat kann nicht aufgeklärt werden.
2013 kontaktiert Rudi Ferres, damals Leiter der SoKo »Tunnel« Marthaler und bittet ihn, ihn in Frankreich zu besuchen. Es gebe neue Erkenntnisse im Fall Tobias Brüning. Während die Mordkommission total überlastet ist, weil es im Vorfeld eines Besuches Barack Obamas zu einem Anschlag auf ein Restaurant gekommen ist, reist Marthaler dem alten Fall hinterher.
Als im Grenzgebiet zwischen Rheinland Pfalz und Hessen wenig später die Leichen zweier ebenfalls grausam verstümmelter Jungen gefunden werden, nimmt der alte Fall wieder Fahrt auf.
Menschenfischer erschien 2017 als sechster und aktuell jüngster Band in Jan Seghers Reihe Kommissar Marthaler ermittelt. Das Buch umfasst 432 Seiten und wird bei Rowohlt unter dem Imprint Kindler verlegt.
Die Geschichte spielt im Jahr 2013, zwischen dieser und der des vorhergehenden Bandes liegen also etwa fünf Jahre. Im ersten Teil nehmen Rückblenden auf den Mordfall Tobias Brüning in 1998 einen erheblichen Raum ein. Der Fall ist stark angelehnt an den Mordfall Tristan Brübach, der damals weit über Frankfurt hinaus Aufsehen erregte und bis heute ungeklärt ist. Die Geschichte, die Seghers darauf aufbaut, ist allerdings wie gewohnt fiktiv.
In der Rahmengeschichte hat sich in den fünf Jahren wenig getan. Marthaler ist weiterhin mit Tereza zusammen, die aber noch einen Partner in Prag hat. Mit diesem erwartet sie nun ein Kind, weshalb sie ihn nun heiraten will und die Beziehung mit Marthaler beendet. Der stürzt sich, wie gewohnt, in die Arbeit. Hier ist er weiterhin Leiter der zweiten Mordkommission, hauptsächlich aber einziger Mitarbeiter der Cold-Case-Unit, wodurch die restlichen Mitarbeiter auch in diesem Buch eher Nebenrollen spielen. Sabato ist zwar noch recht präsent und im Rahmen der Ermittlungen zu den zwei aktuellen Fällen wird auch die MK1 wieder tätig, daneben aber auch Ermittler aus Wiesbaden und St. Goarshausen, so dass für die früheren Hauptcharaktere weit weniger Raum bleibt. Das ist ein bisschen schade, aber gerade mit Rudi Ferres, dem früheren SoKo-Leiter, und Kizzy Winterstein vom Polizeipräsidium Wiesbaden füllt Seghers diese Lücke mit sehr sympathischen Charakteren.
Und auch der Fall ist Seghers wieder sehr rund gelungen, obwohl er wirklich umfangreich ist. Ein bisschen schade fand ich, dass ihm am Ende gefühlt ein wenig die Seiten ausgingen. Nachdem die Fälle bis über die Mitte des Buches hinaus wirklich sehr detailreich und liebevoll aufgebaut werden, entwickelt sich die Geschichte danach doch eher zum Spurt – gerade am Ende. Da hätten ein paar Seiten mehr nicht geschadet. Allerdings geht nichts relevantes verloren; die Geschichte bleibt stimmig und nachvollziehbar, es geht halt einfach nur ein bisschen schnell. Mit hineinspielen mag da, dass Seghers, bis die Fälle fertig aufgebaut sind, drei Handlungsstränge und dazu die Rückblende führen muss, das nimmt natürlich Platz.
Trotzdem ist Menschenfischer, gerade wegen des komplexen Fallgebildes, wieder ein toller Hessenkrimi, dem eine erhebliche Recherchearbeit zugrunde liegt. Auch deshalb kann ich ihn nur empfehlen und freue mich auf weitere Bände in der Reihe.
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Kommissar Marthaler ermittelt
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Rezension: Wenn es dämmert (von Zoë Beck)

Die junge Schriftstellerin Mina Williams wacht verletzt aus der Bewusstlosigkeit auf. Sie hat keine Erinnerung, wo sie ist und was mit ihr passiert ist. Mit im Haus liegt ein toter Mann. Während ihre Erinnerungen nur langsam zurück kommen, gerät sie als Hauptverdächtige immer tiefer in ein Netz aus Schwerstverbrechen.
Wenn es dämmert spielt in Cedric Darneys Studentenzeit, liegt chronologisch also vor Der frühe Tod, das wiederum vor Das alte Kind. Zoë Beck erzählt darin die Geschichte der jungen Bestsellerautorin Mina, die eng mit der des Verschwindens von Cedrics Vater Lord Darney verknüpft ist. Wie auch Das alte Kind hat Wenn es dämmert starke familiendramatische Elemente und die für fast alle maßgeblichen Charaktere. Mit Menschen- bzw. Kinderhandel greift Beck auch hier ein wahrscheinlich immer aktuelles Thema auf.
Ich weiß, ich wiederhole mich, aber das lässt sich nicht ändern. Die Bücher dieses Handlungsuniversums sind sich insgesamt und im Prinzip auch im Detail sehr ähnlich. Beck lässt ihr Publikum ausführlich die Zwangshandlungen Cedrics miterleben. Zwar wird deren Ursache in der nebulösen Internatszeit belassen, ihre Auswirkungen und wie Cedric mit ihnen leben muss, erlebt man aber hautnah. Gleiches gilt für Minas Depressionen einschließlich Tablettenabhängigkeit, wobei deren Ursachen im Laufe des Buches aufgelöst werden. Wie es den Charakteren damit geht, ist nicht immer leicht zu lesen, aber sehr lehrreich. Beck mag ihre Charaktere, das merkt man in jedem Buch und ziemlich schnell.
Auch mit dem Handlungsort in Schottland ist sie offenbar bestens bekannt. Stellenweise kann man das Buch schon fast als Reiseführer bezeichnen, so detailreich beschreibt sie Orte, Sehenswürdigkeiten und Mythen. Auch das ist durchaus sympathisch.
Ein wenig aus dem Konzept gebracht hat mich teilweise Minas Verwandtschaft. Die ist tatsächlich ziemlich groß und, da mehrere Generationen für das Buch mindestens am Rande relevant sind, stellenweise recht unübersichtlich. Es fallen viele Namen, nicht wenige davon nicht allzu oft. Da kann man leicht den Überblick verlieren.
Alles in Allem bin ich wieder einmal sehr glücklich mit dem Buch. Ich war zwar durch meine unchronologische Lesereihenfolge schon gewaltig gespoilert, das hat dem Buch aber überhaupt nicht weh getan. Die Reihe gefällt mir einfach sehr gut.
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Rezension: Traumfrau (von Klaus-Peter Wolf)

Ichtenhagen ist ein kleines Dorf im Westerwald, wie man sich ein kleines Dorf im Westerwald vorstellt. Es gibt einen Tante-Emma-Laden, eine Dorfwirtschaft – und neuerdings einen zwielichtiges Vergnügungshaus für Erwachsene. Günther, Wolfhardt, Hans, Hermann und Martin sind die örtliche Skatrunde und als solche Stammgäste in der Linde. Außerdem pflegen sie, als Querschnitt auf die eine oder andere Weise festgefahrener Leben auf dem Dorf, eine Lottotippgemeinschaft. Eines Tages gewinnen sie tatsächlich – 5 Richtige. Aus einer fixen Idee zur Steigerung ihrer aller Lebensqualität – eine thailändische Frau zu kaufen – die zwar Günther heiraten, aber doch für die ganze Runde zur Verfügung stehen solle, entwickeln sich ganz unterschiedliche Abgründe menschlichen Verhaltens. Während Günther fortwährend an seine gute Tat glaubt und sich mehr und mehr eine gleichberechtigte Ehe zum Lebensabend vorstellt, eskaliert die Situation durch die Fantasien der anderen zunehmend.
Das Buch, 1989 erstmals erschienen, behandelt mit der »Ehevermittlung« asiatischer Frauen ein damals hochbrisantes Thema. Klaus-Peter Wolf hat über zwei Jahre ungewöhnlich tiefgehend recherchiert. Das kann man beim Lesen auch kaum übersehen. Die einzelnen Charaktere werden, mit all ihren Träumen oder seelischen Abgründen, ausgesprochen überzeugend gezeichnet. Auch die Eskalationen der einzelnen Ereignisse und des Großen Ganzen ist bedrückend nachfühlbar konstruiert. Wolfs Charaktere könnten erschreckend real sein – bzw. unzählige reale Pendants haben. Wer in tief genug in den Mikrokosmos eines beliebigen Dorfes eintaucht, wird Anzeichen für den einen oder anderen sicherlich finden.
Insgesamt ist das Buch gleichzeitig etwas düster und … hell – ich weiß nicht, wie ich das beschreiben soll. Wolf versteht es, auch schlimmste Wendungen einer Story, bei denen man eigentlich nicht mehr weiterlesen will (viele seiner Bücher haben solche Stellen, an denen man genau weiß, jetzt wird ein Charakter moralisch nicht mehr erträglich), so in einen an sich positiven Grundrahmen des Gesamtwerks einzubetten, dass immer die Hoffnung bleibt, am Ende würde alles wieder gut. Günther Ichtenhagen ist in dem Fall dieser positive Grundrahmen. Dazu passt leider nicht ganz, dass Wolf auch gerne mit mehr oder weniger offenen Enden arbeitet. In Traumfrau bleibt es sehr offen. Das finde ich einerseits gut, andererseits könnte gerade das Buch auf so viele Arten ausgehen, von denen die wenigsten ein gutes Gefühl hinterlassen. Für mich hat Wolf etwas zu früh abgebrochen, etwas zu viele Möglichkeiten offen gelassen.
Zusammenfassend möchte ich Traumfrau aber empfehlen. Es ist nicht unbedingt leichte Kost, aber es legt einen Finger in die Wunde »Umgang mit Frauenhandel«, in der deutsche Justiz und Politik bis heute keine besonders rühmliche Rolle spielen.
Kurzbio

Thomas liest, schreibt drüber, ist von der Menschheit im Allgemeinen genervt und schreibt auch mal da drüber.
Letzteres tut ihm jetzt schon Leid, ersteres nicht.
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