Rupert undercover – Ostfriesische Mission (von Klaus-Peter Wolf)
Autor: Klaus-Peter Wolf
Erschienen: 2020
Seiten: 384

Als großer Freund der Wolf’schen Ostfrieslandkrimis habe ich etwas skeptisch auf sein neues Spin-off mit Hauptkommissar Rupert in der Hauptrolle gewartet. Ich hatte da so meine Befürchtungen und leider hat Wolf es nicht geschafft, denen entgegen zu wirken. Aber fangen wir langsam an.
Hauptkommissar Rupert wollte schon lange zum BKA, wurde aber immer abgelehnt. Als diesem ein internationaler Drogenboss in die Finger gerät, kann das BKA nicht mehr an Rupert vorbei. Denn ausgerechnet der machohafte Ostfriese sieht dem Festgenommenen zum Verwechseln ähnlich. Rupert wird als sein Double in die Organisation geschleust, um sie von innen auszuleuchten. Kann ihm, auf sich alleine gestellt, der große Coup, auf den er schon so lange wartet, gelingen?
Ostfriesische Mission reiht sich vom Erzählstil her nahtlos in die restlichen Ostfrieslandkrimis im Universum des Polizeikommissariats Norden ein. Der Krimi ist spannend wie unterhaltsam. Bei der Tiefe der Figuren kommt Wolf nicht an sein übliches Maß heran. Rupert und die BKA’ler:innen sind beinahe die einzigen, deren Charakter tiefer beleuchtet werden. Bei der Norder Polizei ist natürlich nicht viel zu holen, die kennt man alle schon ziemlich gut. Aber insbesondere die Kriminellen bleiben diesmal ungewohnt blass, von einigen wenigen Ausnahmen, wie dem Geier abgesehen. Es dreht sich keineswegs alles um Rupert, obwohl er im Mittelpunkt steht, auch die übrigen Hauptfiguren der Klaasen-Reihe bekommen in der Handlung reichlich Raum. Mehr als beispielsweise im Sommerfeldt-Spin-off.
Abzusehen war das Spin-off um Rupert spätestens seit er seine eigenen Kurzkrimis bekommen hat. Damals befürchtete ich bei dem Schritt schon ein Problem für mich: Denn so beliebt Rupert auch unter den Fans ist, als Protagonist ist er ein problematischer Charakter. Er ist nicht selten das, was man lapidar politisch unkorrekt nennt. Sein Repertoire reicht von ziemlich ausgeprägtem Sexismus und Machismus bis zu Alltagsrassismus. Als Nebenfigur hat das funktioniert, weil er lange eine Rolle als eher unsympathischer, belächelter Antagonist zu den übrigen Figuren im Kommissariat eingenommen hat. Er wurde also mindestens implizit nicht als Vorbild dargestellt.
In Ostfriesische Mission und den Kurzkrimis ist er aber nun zum Protagonisten aufgestiegen und leider blendet Wolf seine Verhaltensweisen dabei nicht aus, wo es möglich ist. Neben dem allgegenwärtigen Sexismus, der in Ruperts Charakter so ausgeprägt ist, dass Wolf ihn unmöglich vermeiden kann, taucht auch recht früh im Buch schon das durchaus vermeidbare Z-Wort auf. Im Jahr 2020 ist das mindestens schade, vor allem, weil es für die Geschichte überhaupt nicht nötig wäre. Hätte Rupert seine eigentliche Rolle, würde das direkt auf die eine oder andere Weise gerügt. Als Protagonist hat er die aber nun nicht und so können seine Entgleisungen akzeptabel scheinen. Wie gesagt, die Entwicklung war abzusehen, Ruperts Standing innerhalb der Krimis hat sich in den letzten Jahren gewandelt. Er wurde schleichend immer akzeptabler.
Abseits dieser Problematik gibt es weniger, aber trotzdem reichlich ostfriesisches Lokalkolorit. Wolf hat die Messlatte in der Vergangenheit da recht hoch gehängt, so dass etwas weniger kaum ins Gewicht fällt. Er fängt die Stimmung ›am Deich‹ gewohnt gekonnt ein, man ist sofort dort. Auch NRW spielt wieder eine Rolle und auch dort gelingt es ihm, wie schon in der Vergangenheit, Atmosphäre zu schaffen.
Zum Schluss noch ein Wort zum Schluss. Denn der kommt abrupt. Nun bin ich von Wolf in der Hinsicht einiges gewohnt. Er lässt gerne einiges offen, er bricht gerne plötzlich ab. Normalerweise gefällt mir das ganz gut und in einer Reihe macht es auch durchaus Sinn, den Übergang zum nächsten Band zu gestalten. In Ostfriesische Mission übertreibt er das für meinen Geschmack aber sehr. Das Ende kommt insgesamt sehr kurz und es macht den Eindruck, da musste kurz vor der Deadline noch schnell was hingeklatscht werden. Ich könnte sagen, das würde Rupert gerecht, aber irgendwie war ich doch anderes gewohnt. In Ordnung geht, dass das Ende sehr offen ist. So ist es auch keine Überraschung, dass Ruperts zweiter Band schon angekündigt ist und zweifellos nahtlos an die Geschichte anknüpfen wird. Im Gegensatz zur Klaasen-Reihe ist hier also nicht nur die Rahmenhandlung buchübergreifend.
Das soll es sein. Klingt irgendwie sehr schlecht. Sieht man insbesondere von der Kritik an Rupert als Protagonist ab, bleibt insbesondere für Fans trotzdem ein weitgehend gelungener Ostfrieslandkrimi im bekannten Universum. Für Neueinsteiger ist Vorwissen nützlich aber kein Muss. Unterhaltsamer ist Ostfriesische Mission sicherlich mit Kenntnis insbesondere der Klaasen-Reihe.
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Ostfriesenhölle (von Klaus-Peter Wolf)
Autor: Klaus-Peter Wolf
Erschienen: 2020
Seiten: 528

Auf Langeoog fällt der junge Cosmo Schnell bei einem Fahrradausflug mit seiner Mutter plötzlich vom Rad und stirbt. Die Mutter verdächtigt seinen Freund Marvin ihn vergiftet zu haben. Pikant daran, Marvin ist der Enkel des niedersächsischen Innenministers. Sie entführt ihn und wird wenig später tot aufgefunden. Weitere Menschen, die lose mit Cosmo und Marvin in Verbindung standen, sterben. Und plötzlich wird der Innenminister erpresst.
Ostfriesenhölle ist der vierzehnte Band in Klaus-Peter Wolfs Reihe Ann Kathrin Klaasen. Der Ostfrieslandkrimi erschien 2020 bei S. Fischer und umfasst 528 Seiten.
Der neuste Fall für Ann Kathrin Klaasen und die Kripo Aurich beginnt einigermaßen unspektakulär, steigert sich dann aber schnell. Auf den plötzlichen Tod Cosmos folgt eine Entführung, auf die Entführung der Tod von Cosmos Mutter und eine weitere Entführung. Während Frank Weller mit eingegipsten Armen nur bedingt einsatztauglich ist (was ihn allerdings nicht vom Dienst abhält), rennt die Kripo den Geschehnissen hinterher. Menschen werden vergiftet, Marvin ist verschwunden und ganz langsam entwickelt sich ein großes Ganzes.
Ostfriesenhölle ist, was die Dimensionen des Falls angeht, ein gutes Stück größer, als man das bisher gewohnt war. Man könnte sagen, Wolfs neuster Klaasen-Band hat eine ungewohnt deutliche politische Dimension. Der Fall geht bis in die Landespolitik, Rüstungskonzerne und ihre schmutzigen Geschäfte spielen eine Hauptrolle. Wolf spinnt daraus ein Konstrukt, das in sich stimmig daher kommt und bestens in die Reihe passt – und wahrscheinlich nicht so ganz an der Realität vorbei geht.
Die Figuren, auch die, die nur innerhalb dieses Bandes stattfinden, sind Wolf-typisch liebevoll ausgearbeitet und mit Tiefe versehen. In Ostfriesenhölle setzt sich fort, was sich in den letzten Werken angekündigt hat: Rupert bekommt mehr Fokus. War er anfangs eher sowas wie lästiger Beifang, avanciert er nicht erst durch seine Hauptrolle in den Kurzkrimis zu einer der zentralen Figuren in der Klaasen-Reihe. Da macht er sich grundsätzlich nicht schlecht, obwohl seine flapsigen Ansichten manchmal gerne deutlicher eingeordnet werden dürften. Ich frage mich beispielsweise, ob wirklich jeder mal eine Figur basteln muss, die den ›N-Wort-Witz‹ hinsichtlich Schokoküssen durchspielt. Der ist nicht witzig und die augenzwinkernde Einordnung, die dann meist durch eine andere Figur folgt, kann man sich im Prinzip auch gleich sparen – mit Augenzwinkern macht sie’s nicht besser.
Nichtsdestotrotz ist Ostfriesenhölle wieder einmal eine gelungene Fortsetzung der Reihe. Der Fall ist spannend, die Figuren unterhaltsam und es gibt die gewohnte Flut an Lokalkolorit, die das Genre so sympathisch macht. Nachdem Wolf im dritten Teil des Sommerfeldt-Spin-offs für mich etwas geschwächelt hatte, befürchtete ich, dass sich das in der Klaasen-Reihe fortsetzen könnte. Ich stelle erfreut fest, dass dem nicht so ist. Ganz im Gegenteil, durch die Größe des Falles nimmt er in der Klaasen-Reihe eher die nächste Stufe. So darf es von meiner Warte aus gerne weitergehen.
Auch mit dem nun vierzehnten Band schafft es Klaus-Peter Wolf immer noch, seine bekannteste Reihe zu steigern. Kleine Abzüge gibt es für die Sache mit Rupert. Für Fans ist der Krimi sicher Pflicht, Einsteiger stellt er grundsätzlich auch vor keine Probleme. Auch wenn die vorherigen Bände für die Rahmenhandlung hilfreich sind.
Ann Kathrin Klaasen
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Germany (von Don Winslow)
Autor: Don Winslow
Erschienen: 2016
Seiten: 384

Kim Sprague, die Frau von Frank Deckers schwerreichem Marines-Kamerad Charlie Sprague, verschwindet plötzlich. In seiner Not wendet sich Charlie an Frank, der sich auf die Suche begibt. Schnell führen Spuren in Kims Vergangenheit und Kreise der lokalen und internationalen Kriminalität. Schließlich landet Frank in Deutschland, wo sich die Lage zuspitzt.
Germany ist der zweite Band in Don Winslows Reihe Frank Decker. Das Buch erschien 2016 bei Droemer Knaur und enthält 384 Seiten, die sich wie schon beim ersten Teil in zahlreiche sehr kurze Kapitel gliedern.
Frank Decker ist nach der erfolgreichen Suche nach Hailey Hansen nicht in den Polizeidienst zurückgekehrt. Er wohnt nicht mehr bei seiner Frau, die Ehe befindet sich weiter in der Auflösung. Da erreicht ihn der verzweifelte Anruf seines alten Kampfkameraden Charlie Sprague. Seine Frau Kim ist verschwunden und Charlie befürchtet das Schlimmste. Frank verspricht, sie zu finden und macht sich auf die Suche. Er freundet sich mit der Polizistin Dolores Delgado an, die ihn bei der Suche unterstützt und dabei selbst über die Grauzone ihrer Befugnisse hinaus wandert.
Im Gegensatz zum ersten Band widmet sich Germany immer wieder recht ausführlich Franks Vergangenheit beim Militär. Verbindungen ins Heute liegen da u.a. bei Charlie, der Frank einst das Leben rettete und sich selbst dabei nachhaltig verwundete, und Franks Zeit in Deutschland im Anschluss an seine Verwundung. Hier hat er versucht, seine Traumata zu heilen; gelungen ist ihm das nur im Ansatz. So holt ihn seine Vergangenheit wieder ein, als die Spuren eben nach Deutschland führen, und er muss feststellen, dass die Vergangenheit eben noch nicht ruht.
Winslow schreibt die Geschichte wieder sehr nah an seinem Protagonisten. Der Erzählstil erinnert ein kleines bisschen an Sin City, ist also sehr persönlich. Das führt dazu, dass Frank nicht uneingeschränkt heldenhaft erscheint, was ein guter Mittelweg ist, weil seine negativen Seiten durchaus zum Tragen kommen. Eine Einordnung dieser Seiten erfolgt also implizit.
Wie im ersten Band zeichnet Winslow auch in Germany keine geradlinige Storyline. Die Handlung nimmt immer wieder Abzweigungen, die sich auch mal als Sackgasse herausstellen. Insbesondere gegen Ende macht sie recht unvorhersehbare Schwenks. Das trägt erheblich zur Spannung des Buches bei und macht Winslow für ich auch zu einem so guten Erzähler in seinem Genre. Zusammen mit der sehr persönlichen Erzählweise ergibt sich eine Geschichte, die einen problemlos mitnimmt.
Germany ist eine gelungene Fortsetzung der Reihe um Frank Decker. Spannend, nicht gradlinig und sehr nah am Protagonisten erzählt, ist das Buch ein toller Thriller.
Frank Decker
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Missing. New York (von Don Winslow)
Autor: Don Winslow
Erschienen: 2018
Seiten: 400

Die fünfjährige Hailey verschwindet spurlos beim Spielen im Vorgarten. Frank Decker und die Polizei ermitteln, finden aber keine Spur. Ein weiteres Mädchen verschwindet auf dem Schulweg. Sie wird wenig später tot aufgefunden, der Täter ermittelt und Haileys Verschwinden ebenfalls ihm angelastet. Case closed – doch nicht für Frank Decker. Er hängt seinen Job an den Nagel, setzt sich in sein Auto und beginnt eine einjährige Suche nach Hailey quer durch die Vereinigten Staaten. Eine heiße Spur führt ihn schließlich in die Upper Class von New York.
Missing. New York ist der erste Teil in Don Winslows Reihe Frank Decker. Der Thriller erschien 2014 bei Droemer Knaur und umfasst 400 Seiten, die sich in zahlreiche sehr kurze Kapitel gliedern.
Mit Frank Decker schafft Don Winslow erneut einen Protagonisten ganz in seinem Stil. Veteran, Ex-Spezialeinheit, ein bisschen kaputt, nicht immer 100% korrekt, letztendlich aber trotzdem mit dem Herz am rechten Fleck – und in seiner Berufung maximal engagiert. Seine Berufung, das zeigt sich schnell, sind Vermisstenfälle. Er ist gut darin, sie zu lösen, allerdings stößt sein Engagement an die Grenzen der ermittlungstechnischen Bürokratie. So ist es nur ein logischer Schritt, dass Decker Job und Pension bei der Polizei an den Nagel hängt und die Suche nach der kleinen Hailey auf eigene Faust fortsetzt. Sauber bleibt er dabei nicht immer, aber er setzt sich immerhin kritisch mit seinen Dämonen auseinander. Das ist ein Umgang, mit dem ich im Prinzip leben kann.
Auch in anderer Hinsicht folgt Winslow seiner Linie, die man insbesondere aus der Art-Keller-Reihe kennt. Sein Stil ist schnell. Missing. New York erzählt er aus der Sicht von Frank Decker und setzt für die einzelnen Szenen nicht allzu viel Raum an. Trotzdem mangelt es nicht an notwendigen Details, um sich in die jeweilige Situation zu versetzen. Das Buch wirkt insgesamt etwas gehetzt, allerdings nicht ungewollt (also störend) gehetzt. Winslow fängt Deckers Gemütslage auf diese Weise gut ein und gibt sie passend wieder. Die Geschichte ist an vielen Stellen schnell und Deckers Naturell ist hinsichtlich der vermissten Hailey gehetzt, in Kombination mit der Erzählperspektive ist das also nur konsequent.
Ebenfalls gut gelungen ist der Spannungsaufbau. Der Fall nimmt immer wieder mehr oder weniger unerwartete Wendungen und die genauen Zusammenhänge sind oft und lange nur rudimentär vorhersehbar. Neben Deckers Perspektive wechselt Winslow regelmäßig in die der vermissten Hailey. So vermittelt er einen kleinen Wissensvorsprung, der die Spannung zusätzlich steigert. Insgesamt bewegt sich Missing. New York permanent auf einem angenehmen Spannungslevel, das fühlt sich alles sehr ausgewogen an.
Neben dem Kinderhandel, der Mafiastrukturen bis in die obersten gesellschaftlichen Ränge mit sich bringt, macht Winslow auch den gebrochenen Veteranen wieder zu seinem Thema. In der Reihe um Art Keller konnte man die Entwicklung dahin live verfolgen, für Frank Decker liegt sie in seiner Vergangenheit. Trotzdem wirkt sie natürlich weiter. Seine Zeit im Krieg lässt ihn nicht los, auch seine Ehe, der es zwar nicht an Liebe fehlt, scheitert letztendlich auch ein bisschen an seiner Vergangenheit. Decker ist ruhelos, das Erlebte holt ihn immer wieder ein. Und er wird damit relativ alleine gelassen.
Missing. New York ist ein gelungener Start für Winslows Frank Decker. Durch die Erzählperspektive ist es nicht der typische Thriller, aber ein spannender. Mit den Figuren wird man schnell warm und die Geschichte ist, wie man es von Winslow kennt, gut ausgearbeitet und immer ein bisschen aktuell.
Frank Decker
Transparenzblock: Diese Rezension ist auch auf meinem Profil bei mojoreads (Werbung) erschienen. mojoreads versteht sich als social bookstore und beteiligt seine User am Erlös aus Buchverkäufen, die u.a. auf ihre Rezensionen zurückgehen. Wenn du das Buch kaufen willst, würdest du mir eine Freude machen, wenn du es über meine dortige Rezension (Werbung) kaufst. Bedankt 🙂
Der Sozius (von Lyl Boyd)

Teresa studiert Literaturwissenschaften und möchte Journalistin und Autorin werden. Mitten in den Recherchen zu ihrem ersten Buch fühlt sie sich zunehmend verfolgt. Ihr Thema ist der Sozius, eine mysteriöse Figur der Hamburger Unterwelt. In den 1970er Jahren begann er seine Karriere im Rotlichtmilieu und arbeitete sich stetig nach oben, bis er heute quasi die Graue Eminenz hinter allem darstellt. Gemeinsam mit ihrem Freund Schneider muss sie feststellen, dass ihre Paranoia keineswegs ein Hirngespinst ist. Je näher sie dem Sozius kommt, desto größer wird die Gefahr.
Der Sozius ist Lyl Boyds erster Kurzroman. Das Buch umfasst 216 Seiten und wird seit dem 06.12.2019 im Self-Publishing zunächst als Paperback über BoD und Amazon vertrieben. Für das Rezensionsexemplar darf ich mich bei Lyl Boyd bedanken.
Der Sozius ist ein interessant anderer Roman, so möchte ich es mal ausdrücken. Die Geschichte lebt von Brüchen in der Erzählstruktur und das schadet dem Buch – das überrascht mich zugegebenermaßen ein wenig – kaum. Boyd erzählt abwechselnd die Geschichte des Sozius von den Anfängen bis zur jetzigen Zeit und Teresas Recherchen in der Gegenwart. Die Sprünge sind da teilweise gewaltig, insbesondere beim Sozius hatte ich stellenweise kleinere Schwierigkeiten, direkt Zusammenhänge von einer Station zur nächsten herzustellen. Trotzdem leidet die Spannung nicht unter diesem Phänomen. Das Buch liest sich trotz aller Brüche flüssig und Boyds Stil ist angenehm. Auf der knappen Menge Seiten, die ein Kurzroman hergibt, hätte man anders wohl auch kaum so viel Geschichte untergebracht.
Die Figuren, insbesondere der Sozius und Teresa, haben im Rahmen der Möglichkeiten des knappen Formats viel Tiefe. Besonders beim Sozius verknüpft Boyd die Charakter- mit der Geschichtserzählung durch den inneren Monolog. Das kann sich zwar stellenweise etwas anstrengend anfühlen, weil der Sozius für mich eine nicht immer unanstrengende Persönlichkeit hat (Geschmackssache), nutzt den geringen Platz aber ganz hervorragend aus, um Geschichte und Figur mit Leben zu füllen. Im Falle von Teresa geschieht die Charaktererzählung größtenteils im Dialog mit Schneider und etwas gelöster von der Geschichtserzählung.
Ein kleiner Kritikpunkt betrifft die Interpunktion. Das Ausrufezeichen scheint mir in Dialogen fester Bestandteil zu sein. Insbesondere zwischen Teresa und Schneider gibt es zahlreiche, aus meiner Sicht gefühlt normale Gespräche, bei denen aber ein Großteil der Sätze mit einem Ausrufezeichen endet. Ich hatte da Probleme, die Stimmung richtig aufzunehmen, weil die Ausrufezeichen den Sätzen mehr Nachdruck verliehen, als mein Gefühl für die Gesprächssituation erwartete. Das ist technische Kritik und sicher individuell, darum lasse ich das nur geringfügig in meine Bewertung einfließen.
Der Sozius ist ein kleines, feines Stück kurzweiliger Spannungsliteratur. Gängige, oft unbegründete Vorurteile gegenüber Self-Publishing-Werken treffen auf das Buch sicher nicht zu. Eine gute Gelegenheit, mal über den Tellerrand der Verlagskataloge hinaus zu blicken.
Kurzbio

Thomas liest, schreibt drüber, ist von der Menschheit im Allgemeinen genervt und schreibt auch mal da drüber.
Letzteres tut ihm jetzt schon Leid, ersteres nicht.
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