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Die Wahrheit (von Sam Bourne)

22. Oktober 2020 0 comments Article Lesestoff, Thriller, Verschwörung
Titel: Die Wahrheit
Autor: Sam Bourne
Verlag: Bastei Lübbe
Erschienen: 2020
Seiten: 448
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Band 4 der Serie um Maggie Costello und für mich der beste schlimmste. Eine deutliche Warnung vor geschichtsrevisionistischen Bemühungen im Großen wie im Kleinen.

Quelle: Lesejury

Während William Keane in einem vielbeachteten Gerichtsprozess erreichen will, dass die Sklaverei aus der amerikanischen Geschichte gestrichen wird, bricht plötzlich auf der ganzen Welt die Katastrophe aus. Die wichtigsten Bibliotheken und Archive gehen in Flammen auf, Historiker und Zeitzeugen der schlimmsten Epochen der jüngeren Vergangenheit werden ermordet.
Maggie Costello wollte zwar kürzer treten, ist aber schnell bereit, sich den Geschehnisse zu widmen, als sie darum gebeten wird. Schnell wird ihr klar, hier ist eine konzertierte Aktion in vollem Gange und das Ziel ist so offensichtlich wie schrecklich: Das historische Gewissen der Welt soll ausgelöscht werden, damit die Menschheit auf einem weißen Blatt neu anfangen kann.

Die Wahrheit ist, und das finde ich nach Der Präsident wirklich schwer, für mich zweifellos der bislang schlimmste Teil der Serie um Maggie Costello. Und damit meine ich nicht die Qualität des Thrillers. Die ist extrem gut, aber uff, ich habe gelitten wie bei wenigen fiktionalen Büchern. Die Geschichte und die Implikationen, die sie mit sich bringt und die Bourne schonungslos ausarbeitet, sind für mich dermaßen furchtbar, da hat das Lesen viel mit mir gemacht. Alleine die Vorstellung, es würde reichen, die historischen Belege für Sklaverei oder die Shoah zu vernichten, um sie juristisch ungeschehen, weil unbelegbar, machen zu können … wie grausam ist das? Da hilft es auch nicht, dass Die Wahrheit, erschienen 2020, natürlich wieder nah an der aktuellen Lage in den USA geschmiedet ist und diese ganze Geschichte, die Herleitungen, die Argumentationen – Crawford McNamara (aka. Steve Bannon) und William Keane halten seitenlange Monologe, die 1:1 aus dem Lager des derzeitigen Präsidentendarstellers (Herrje, schon wieder) stammen könnten – weit weniger fiktional scheinen, als sie sollten.

Um das also kurz zu fassen, Bourne hat ein Szenario konstruiert, das extrem gut ist, weil es extrem fürchterlich ist. Er verstärkt das, indem er es recht nahtlos in die aktuelle politische Lage in den USA einbettet. Dadurch konnte ich Die Wahrheit nicht alleine als Unterhaltungsliteratur lesen, auch wenn es zweifellos in die Sparte gehört. Das Buch ist auch eine Mahnung, rote Linien insbesondere nach Rechts zu ziehen und sie dann auch vehement zu verteidigen.

Als quasi notwendigen Nebeneffekt spielt Bourne eine Debatte durch, die, abseits eines wissenschaftlichen Diskurses, wahrscheinlich auch nur in rechten und – könnte ich mir thematisch vorstellen – höchstens noch libertären Kreisen existiert: Ginge es den Gesellschaften der Menschheit insgesamt besser, wenn sie nicht mit ihren Altlasten leben müssten? Kriege, Vorurteile, Unterdrückungsmechanismen … vieles davon begründet sich in hohem Maße auf Geschehnisse in der Vergangenheit. Gäbe es die im kollektiven Bewusstsein nicht mehr, könnte dann jede Generation nicht wieder bei Null anfangen? Bournes Antwort auf die Frage ist ein eindeutiges Nein, das zeigt sich alleine schon aus den Motiven, aus denen die Verfechter der These im Buch agieren. Denn die liegen quasi immer in einer Machtposition, die von unbequemen Altlasten bereinigt werden soll. Um es deutlicher zu sagen: Weiße, gut situierte Menschen. Ihnen gegenüber stehen Marginalisierte, die um die effektive Anerkennung ihrer Vergangenheit kämpfen.

An der Stelle möchte ich einen kleinen Kritikpunkt anbringen: Relativ früh im Buch unterhält sich Maggie mit Mike Jewel, dem Schwarzen Wortführer einer Anti-Hass-Kundgebung. Er duzt sie, sie siezt ihn. Das Setting fällt mir öfter auf und es stört mich, denn bei Übersetzungen aus dem Englischen basiert es immer auf einer Interpretationsleistung, schließlich existiert der Unterschied zwischen formeller und informeller Anrede im Original nicht. Es mag Kontexte geben, in denen eine Differenzierung auf dieser zusätzlichen Ebene inhaltlich Sinn macht, wahrscheinlich ist das sogar meistens der Fall. Hier haben wir mit Maggie aber eine Figur, zu der dieses Beharren auf einer formellen Anrede gegen die informelle ihres Gegenübers nicht passt. Und dann sollte man es auch lassen, weil es eine Wertung der Charaktere beinhaltet, die, jedenfalls in der Schärfe, im Original nicht vorhanden war.

Nevertheless, lest Die Wahrheit! Das Buch ist nicht nur als Teil der Serie um Maggie Costello super, es bearbeitet auch ein Thema, das leider sehr in die aktuelle Zeit passt. Bourne warnt, und das laut. Er mag die Sache überziehen – dafür ist es Fiktion -, aber geschichtsrevisionistische Bemühungen gibt es und sie sind gleichermaßen eine große Gefahr.

Maggie Costello
Das letzte Testament (von Sam Bourne)
Der Gewählte (von Sam Bourne)
Der Präsident (von Sam Bourne)
Die Wahrheit (von Sam Bourne)

Transparenzblock: Diese Rezension ist auch auf meinem Profil bei mojoreads (Werbung) erschienen. mojoreads versteht sich als social bookstore und beteiligt seine User am Erlös aus Buchverkäufen, die u.a. auf ihre Rezensionen zurückgehen. Wenn du das Buch kaufen willst, würdest du mir eine Freude machen, wenn du es über meine dortige Rezension (Werbung) kaufst. Bedankt 🙂

Social Media Gedöns

10. Oktober 2019

10. Oktober 2019 0 comments Article Rumpelkammer

03:04 Uhr, potenziell schlimmster Tag des Jahres. Also gestern. Also ein stilechter Geburtstag. Den übrigens so gut wie jeder, dem ich immer gratuliere, verpennt hat. Tja.

Der gestrige Mittag begann mit Ausnahmezustand in Halle/Saale. Ein Rechtsterrorist – vulgo Einzeltäter und bedauerlicher Einzelfall – hat beim Versuch, mit schweren Waffen und Handgranaten ausgestattet, in Kampfmontur eine Synagoge zu überfallen, zwei Menschen ermordet. In die Synagoge kam er nicht, die war, obwohl besucht abgeschlossen. Man stelle sich sowas bei unseren Kirchen vor. Passend, dass vor der Synagoge ausgerechnet heute kein typischer Streifenwagen stand. Es passt immer alles so gut, wenn die Rechtsextremen terrorisieren.

Als würde das nicht für einen Geburtstag reichen, hat Erdoğan gestern auch noch seinen Krieg gegen die Kurden in Nordsyrien gestartet. Die USA schauen nicht nur billigend zu, Trump verhöhnt die Kurden, die den Hauptanteil am Krieg gegen den IS am Boden geleistet hatten, auch noch. Es ist unerträglich. Die Prognosen für einen Anstieg der Geflüchtetenzahlen überschlagen sich schon und dazu kommen zahlreiche IS-Sympathisanten und -Krieger, die jetzt, wo die YPG die Lager nicht mehr bewachen kann, praktisch wieder auf freiem Fuß sind. Der Nahe Osten wird explodieren und die Weltgemeinschaft schaut mal wieder schulterzuckend bis amüsiert zu. Und dann müssen wir »unsere Freiheit wieder sonstwo verteidigen«. Ob die Weltgemeinschaft irgendwann mal irgendwas lernt?

Bei mir war LaTeX-Tag. Nach 3h Aufregung über LibreOffice, weil es quasi unmöglich ist, mit dem Ding ordentliche Vorlagen nach Vorgaben zu layouten und sich meine alten Vorlagen nicht mehr editieren lassen, mache ich das jetzt mit LaTeX. Das kann ich zwar kaum noch, aber in den Stunden heute habe inkl. Lernprozess deutlich mehr geschafft, als mit LibreOffice erwartbar war. Und besser aussehen tut es so oder so.

Ansonsten gehörte der Tag dem Seeräuberhund. Der hat wahrscheinlich Krebs und das ist wirklich extrem traurig. Ich hoffe so sehr, dass bei den Biopsieresultaten doch noch was weniger endgültiges rauskommt.

Social Media Gedöns

Rezension: Wunderbare Jahre (von Sibylle Berg)

29. Mai 2019 0 comments Article Gesellschaft, Lesestoff, Roman
Titel: Wunderbare Jahre
Autor: Sibylle Berg
Verlag: dtv
Erschienen: 2016
Seiten: 192
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Quelle: dtv

Was wurde eigentlich aus dem Fernweh der Jugend? Damals, als man die entlegensten Orte der Welt bereiste und es überall besser als zu Hause war. War es das wirklich? Und wie ist es heute? Sollte man überhaupt noch reisen, weil es doch eigentlich überall schlimmer als zu Hause ist?

Wunderbare Jahre – Untertitel Als wir noch die Welt bereisten – entstammt dem Jahr 2016 und ist bei dtv erschienen. Auf 192 Seiten stellt Sibylle Berg mehr oder weniger kurzen Reiseberichten soziale und politische Verhältnisse in den jeweiligen Ländern gegenüber.

Wir begleiten Frau Berg auf zahlreichen Reisen, die sie seit Beginn ihres Erwachsenenalters in alle Welt geführt haben. Das Buch ist ein Potpourri teils bewegender, teils schräger Reiseberichte von Südafrika über Israel und den brasilianischen Regenwald bis nach Wien und Cannes. Die ersten Filmfestspiele des Jahrtausends sind dabei, ebenso die Hochzeit von William und Kate. Die Berichte umfassen teils kurze Episoden teils grobe Gesamtzusammenfassungen, in jedem Fall sind sie liebevoll, mal witzig, mal bedrückend verfasst.

Doch es gibt da noch die andere Seite. Denn nach jedem Reisebericht folgt das Postskriptum – oder gleich mehrere davon. Und die haben es in sich. Denn was gerade noch nach Geheimtipp, Urlaubsparadies oder ähnlichem aussah, hat selbstverständlich auch Schattenseiten. Ausgewählte lässt Frau Berg jedem Bericht folgen. Seien es Terroranschläge, staatliche Repression, organisierte Kriminalität oder ein Erklärungsversuch, was da eigentlich im Nahen Osten los ist, was wir im Westen nicht verstehen. So bekommt jeder Bericht seinen ganz eigenen, brutalen Gegensatz. Liebevoll illustriert wird das Ganze von Isabel Kreitz.

Wunderbare Jahre ist ein Buch, das in vielerlei Hinsicht zum Nachdenken anregt. Selbstverständlich über den Zustand der Welt an sich und unseren Umgang damit. Der Cocktail an der Bar am lauen Sommerabend könnte etwas sauer schmecken, wenn man sich bewusst macht, dass vor den Mauern der Touristenanlagen Menschen einfach so auf der Straße erstochen werden. Samba ist schön und gut, doch gleichzeitig begeht das Land ein unfassbares und umfassendes Umweltverbrechen am Regenwald. Es lohnt sich, sich Gedanken über das Urlaubsziel zu machen. Man muss nicht immer fern bleiben, man sollte sich aber bewusst sein, dass die Touristenwelt nicht immer das echte Leben der Bürger des Urlaubslandes spiegelt – manchmal zeigt sie eher den krassen Gegensatz.

So ist Wunderbare Jahre vor allem schonungslos. Es erhebt keinen Anspruch auf Vollständigkeit, das wäre auch kaum möglich. Aber es schärft den Blick. Und dafür liebe ich Frau Berg sehr.

[yasr_overall_rating null size=“medium“]

Transparenzblock: Diese Rezension ist auch auf meinem Profil bei mojoreads (Werbung) erschienen. mojoreads versteht sich als social bookstore und beteiligt seine User am Erlös aus Buchverkäufen, die u.a. auf ihre Rezensionen zurückgehen. Wenn du das Buch kaufen willst, würdest du mir eine Freude machen, wenn du es über meine dortige Rezension (Werbung) kaufst. Bedankt 🙂

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Rezension: Schwarzblende (von Zoë Beck)

21. April 2019 0 comments Article Lesestoff
Titel: Schwarzblende
Autor: Zoë Beck
Verlag: Heyne
Erschienen: 2015
Seiten: 416
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Quelle: Random House

Niall wird in London zufällig Zeuge eines Terroranschlags. Als Dokumentarfilmer erkundet er gerade einen zukünftigen Drehort, als zwei junge Männer mit Macheten durch die Stadt laufen. Er folgt ihnen und filmt sie später, als sie einen jungen Briten grausam umbringen. Mit ihnen wird er unter Terrorverdacht verhaftet, seine Unschuld steht aber bald fest. Durch seinen Vater, einen bekannten Kriegsfotografen, bekommt er die Chance, einen Dokumentarfilm über die Hintergründe der Tat zu drehen. Bald gerät sein Leben aus den Fugen und auch der Anschlag an sich wird immer mysteriöser.

Schwarzblende ist 2015 bei Heyne erschienen, hat an Aktualität aber nicht verloren. Auf 416 Seiten zeichnet Zoë Beck eine komplexe Geschichte, die mit der öffentlichen Hinrichtung eines britischen Soldaten in einem Londoner Park beginnt, sich aber weit über diesen Fall hinaus erstreckt.

Die Fülle der übergeordneten Themen, die Beck in ihren Thriller einfließen lässt, zu erfassen, fällt mir fast schwer, so viele sind es. Zumal ich an der Stelle nicht zu viel spoilern will, denn Beck hat sich große Mühe gegeben, die Geschichte schwer vorhersehbar zu schreiben. Ich lese üblicherweise keine Klappentexte, bevor ich das Buch gelesen habe, daher ist das, was ich im Laufe der Lektüre von der weiteren Handlung erwartete, mindestens zweimal radikal umgeschlagen. Das alleine war schon ziemlich stark.

Thematisch bewegt sich Schwarzblende in den großen Feldern Daesh, Terrorismus, Rassismus, Journalismus und allgemein der konservativen, britischen Politik inkl. der Ermittlungsbehörden. Innerhalb dieser Bereiche zeichnet Beck zunächst um Niall, später um sein kleines Dokumentarfilmteam eine packende Story im heutigen London. Sie befasst sich intensiv mit dem Leben von Moslems im aufgeheizten gesellschaftlichen Klima spätestens seit 9/11. Dazu gibt sie tiefe Einblicke in den Radikalisierungsprozess und die Propagandamechanismen im Umfeld von Daesh. Auch der Nahostkonflikt fließt in die Geschichte ein, allerdings weniger intensiv. Daneben Politik und Ermittlungsbehörden im Zeitalter von Antiterrorgesetzgebung und den Gefahren, die sich daraus ergeben. Das alles findet eingebettet in den Alltag beim Dreh eines Dokumentarfilms statt.

Ihre Charaktere füllt Beck überwiegend mit Tiefe, jedenfalls die Protagonisten. Einige Nebencharaktere bleiben etwas blass. In diesen Eindruck spielt allerdings auch hinein, dass es durch die radikalen Wendungen lange nicht ganz leicht fällt, abgesehen von Niall überhaupt auszumachen, welche Charaktere in das Feld der Protagonisten gezählt werden können. Dramaturgisch ist der Thriller wirklich sehr gut aufgebaut. Ich schreibe die Inhaltsangabe normalerweise recht früh beim Lesen, um nachher nicht versehentlich zu spoilern, und bessere sie am Ende nur noch nach. Diesmal musste ich sie komplett neu schreiben, weil das Buch schon relativ früh eine klare Richtung zu haben scheint, dann aber das erste Mal komplett umbricht. Den Bruch hätte mir der Klappentext zwar noch genommen, im Nachhinein betrachtet fand ich ihn so aber deutlich spannender.

Hervorzuheben ist für mich die Figur Leonard Huffman, mit dem Beck ein Plädoyer gegen den Krieg im Allgemeinen hält. Der Kriegsfotograf, der seine Pflicht und Berufung darin gefunden hat, den Menschen zu zeigen, welche Grausamkeiten sie ihren Mitmenschen antun. Wirklich stark. Die Figur ist in jeder Hinsicht rund, mit all ihren eigentümlichen, manchmal scheinbar egoistischen Entscheidungen.

Thematisch hervorheben möchte ich noch das Spannungsfeld, in dem sich Freiheit und Sicherheit im Zeitalter nach 9/11 befinden. Beck spielt das am Eindrücklichsten an Niall durch. Dabei lässt sie ihn dieses Gleichgewicht, das seit langem in Schieflage ist, mehrfach aufgrund persönlicher Betroffenheit weiter in Richtung Sicherheit wünschen. Allerdings lässt sie ihn sich sofort reflektieren und demonstriert so eindrücklich, wie schnell man durch Betroffenheit bereit ist, Menschenrechtseinschränkungen vor allem für andere zu legitimieren.

Schwarzblende ist stark. Es ist fesselnd geschrieben, mit einer einen fast erschlagenden thematischen Breite – wohlgemerkt nur fast. Es ist kein Buch, das ich nach dem Lesen direkt zu den Akten legen kann. Für Freunde von Gegenwartsthrillern auf jeden Fall einen Blick wert.

[yasr_overall_rating null size=“medium“]

Transparenzblock: Diese Rezension ist auch auf meinem Profil bei mojoreads (Werbung) erschienen. mojoreads versteht sich als social bookstore und beteiligt seine User am Erlös aus Buchverkäufen, die u.a. auf ihre Rezensionen zurückgehen. Wenn du das Buch kaufen willst, würdest du mir eine Freude machen, wenn du es über meine dortige Rezension (Werbung) kaufst. Bedankt 🙂

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Rezension: Der Patriot (von Pascal Engman)

26. März 2019 0 comments Article Lesestoff
Quelle: Klett-Cotta

In Stockholm wird eine junge Journalistin brutal ermordet. Wenig später folgen weitere. Allen gemein, sie vertraten linke, migrationsfreundliche Positionen. Carl Cederhielm verbreitet mit seiner rechtsextremen Terrorzelle Angst in Schwedens Redaktionen. Wenig später kommen islamistische Terroranschläge dazu. In dieses gefährlich brodelnde Schweden kehrt August Novak nach einem Jahrzehnt der Abwesenheit zurück.

Spoiler: Ausführlicher Inhalt

August Novak lebt mit seiner Partnerin Valeria im Exil in Chile. Dort verdient er sich als Bodyguard für einen russischen Waffen- und Drogenhändler. Nach einem Verrat aus den eigenen Reihen wird die Lage für ihn langsam brenzlig, erst Recht nachdem er erfährt, dass Valeria schwanger ist. Zu spät entscheidet er sich, Chile zu verlassen um wieder nach Schweden heimzukehren, wo er vor zehn Jahren nach missglückten Raubüberfällen seine Zelte abbrechen und die große Liebe seines Lebens verlassen musste.

Ibrahim Chamsai lebt mit Frau Fatima und Tochter Mitra ein grundsätzlich glückliches Leben in Schweden. Sie sind vor langer Zeit, vor Mitras Geburt, aus Syrien geflohen und haben sich in Schweden ein neues Leben aufgebaut. Mitra, die mittlerweile Jura studiert, ist ihr Ein und Alles. All das endet abrupt, als Ibrahim in einen verheerenden Bombenanschlag verwickelt wird.

Carl Cederhielm ist das Paradebeispiel des rechtsextremen Anführers. In langer Vorarbeit hat er sich in Fredrik und Lars – der eine Ex-Soldat, der andere Polizist – eine Terrorzelle rekrutiert. Sie sind ideologisch maximal indoktriniert und zu allem bereit. Durch eine Serie von Morden an bekannten toleranten Journalisten sind sie sicher, das schwedische Volk aufzurütteln und den politischen Umsturz zu erreichen.

Madeleine Winther arbeitet als aufstrebende Journalistin beim (fiktiven) Nyhetsbladet, einer der führenden Boulevardzeitungen Schwedens. Gefühle sind ihr scheinbar völlig fremd, eiskalt verfolgt sie ihren Weg die Karriereleiter nach oben. Sex oder ein ungeborenes Kind sind ihr dabei gleichgültige Mittel zum Zweck. Hinter der Maske verbirgt sie ihre düstere Rolle innerhalb der Geschichte.

Pascal Engman debütiert mit einem rasanten Thriller mit gesellschaftlich hochaktuellem Thema. Ich sag’s gleich vorweg, mit der Rezension tue ich mich schwer. Das könnte holprig werden, aber ich gebe mir Mühe.

Noch eine Warnung vorweg: Die Rezension geht recht tief in die Story. Ich würde im Nachhinein sagen, ich hätte die Klappentexte vorher lieber nicht gelesen. Allerdings ist es natürlich irgendwie schwer, nur am Titel das Interesse zu finden. Wer das Buch lesen möchte, der möge darüber nachdenken, ob er sich durch die Rezension zu sehr spoilern lassen will.

Engman startet seine Geschichte mit vier getrennten Handlungssträngen. Die Kapitel sind relativ bis sehr kurz und meistens mit recht viel Handlung und insbesondere bei August mit verwirrend vielen Nebencharakteren gefüllt; letzteres macht es durchaus nicht ganz einfach, dem Handlungsstrang im Detail zu folgen. Jedes Kapitel behandelt nur einen Handlungsstrang, bis sich die Stränge zu verbinden beginnen, womit er etwa nach dem ersten Drittel des Buches beginnt. Durch das gesamte Buch ziehen sich Cliffhanger an den Kapitelenden, was besonders im ersten Drittel durchaus anstrengend sein kann, wenn man das Lesen unterbrechen muss.

Die Geschichte erzählt Engman aus der Sicht des allwissenden Erzählers und nutzt das auch. Schon in den beiden Klappentexten wird verhältnismäßig viel gespoilert, beispielsweise die Terrorzelle um Carl und Augusts Rolle in Schweden (die beginnt erst ein gutes Stück nach der Hälfte des Buches). In den einführenden Kapitels setzt sich das nahtlos fort, als er spoilert, dass Ibrahim einen schweren Anschlag verüben wird – auch das passiert erst in der Mitte des Buches. Während die beiden erstgenannten Fälle relativ unkritisch sind, ist der Ibrahim-Spoiler drastischer. Sein Charakter wird von Anfang an so aufgebaut, dass seine Beteiligung an einem Terroranschlag kaum begreifbar ist. Engman spielt damit aber sehr gekonnt, indem er immer wieder mögliche Ursachen andeutet, aber nicht umsetzt. Ein bisschen schade fand ich, dass es dann doch die im Verlauf naheliegendste und damit schmerzhafteste Variante wurde. Engman hat Ibrahim bis dahin durch konsequente Verletzungen und seinen positiven Umgang damit so aufgebaut, dass eigentlich eine »Rettung«, bei der er wenigstens ansatzweise das Gesicht wahren kann, hätte kommen müssen.

Wenn es um die Beschreibung der Terrorzelle und der gesellschaftlichen Reaktionen geht, tritt Engmans Hintergrund als Journalist, der den Beruf unter dem Druck von Drohungen aus dem rechten Spektrum gegen sich und seine Familie aufgab, deutlich zutage. Das Psychogramm der drei Terroristen ist fundiert und grenzt in seinem Detailreichtum fast an Fachlektüre. Auch das Phasenmodell der Radikalisierung, das er von einem Psychologen erklären lässt, bekommt ausführlich Raum. An mehreren Stellen erklärt er Argumentationsmodelle der Rechten und wie sie logische Einwände aus der Welt wischen. Auch die Hilflosigkeit der Opfer rassistischer Gewalt kommt mit Ibrahims Familie und Augusts Ersatzfamilie keineswegs zu kurz. Als jemand mit einem gewissen Maß an Empathie und dies alles aus der Realität kennend, fiel mir das Lesen da teilweise wirklich schwer. Ich denke, es ist hart mitzuerleben, dass den Verhältnissen, die in der Realität schon zu viel Schaden anrichten, nicht mal in der Fiktion mit einem guten Ende begegnet werden kann. Alles in Allem überwiegt für mich aber die Hoffnung, dass eben dieser Umgang und die Tiefe einen Oha-Effekt bewirken könnten.

In dem Zusammenhang finde ich auch erwähnenswert, dass Engman fast jedem Charakter sympathische Elemente verpasst hat. Sogar Carl, den man als Inbegriff des Bösen erwarten würde, hat seine Episoden, wenn es um seine Vergangenheit geht. Einzig Madeleine macht da sehr lange eine Ausnahme. Sie ist durchweg so berechnend und gefühlskalt gezeichnet und bekommt erst sehr spät einen kurzen Moment, als es um Erik geht. Das wirkt lange sehr merkwürdig, bis ihre wahre Rolle ans Licht kommt. Die füllt ihr Charakter dann sehr gut aus.

Im Übrigen möchte man bei Engman wohl kein irgendwie sympathischer Hauptcharakter sein. Die lässt er nämlich mit erschreckender Konsequenz sterben.

Sehr schade finde ich, dass die Rolle von Ibrahims Tochter Mitra in der Storyrealität unaufgeklärt bleibt, obwohl DNA-Spuren sie eigentlich in Frage stellen müssten. Die Geschichte endet zeitlich aber auch recht kurz nach dem Finale. Hier hätte mir ein späterer Epilog besser gefallen, der solche Elemente berücksichtigen und den hoffnungslosen Eindruck, den das Ende hinterlässt, ein wenig korrigiert. Die gesellschaftlichen Konsequenzen, die sich aus der Aufarbeitung ergeben müssten, hätten das Buch durchaus abrunden können. Gerade weil das Buch im Kern sehr realistisch aufgebaut ist, wäre ich als Leser gerne nicht so sehr im Regen (bzw. Schnee) stehen gelassen worden.

Ein Wort noch zum Umschlag, das ich nicht vergessen möchte. Ich habe die Paperback-Variante – und die ist erfreulich wertig. Wenn ich mir die Kanten meiner Büchersammlung anschaue, hätte ich mir wohl öfter eingeschlagene Paperbacks gewünscht. Das Cover passt stimmungsmäßig zur Geschichte, wirkt nicht überladen und ist als Foto genau so weit mit Filtern bearbeitet, dass es die Wirkung steigert, aber nicht stört. Mich freut auch, dass Nike Karen Müller als Übersetzerin prominent Platz im hinteren Umschlag bekommen hat, statt nur irgendwo im Verlagsteil unterzugehen.

Ich komme zum Schluss. Trotz meiner Kritikpunkte und nach einigem Nachdenken möchte ich das Buch doch wirklich empfehlen. Es behandelt ein sehr aktuelles Thema und das sehr detailreich und überzeugend von vielen Seiten. Daneben ist Engmans Schreibstil wirklich ein Genuss. Ich werde mir seinen Namen jedenfalls für die Zukunft merken.

[yasr_overall_rating null size=“medium“]

Transparenzblock: Das Buch habe ich im Rahmen einer Buchverlosung über LovelyBooks als Rezensionsexemplar kostenfrei erhalten. Verpflichtungen (beispielsweise eine »wohlwollende« Rezension), abgesehen von Beteiligung an der Leserunde und eben einer Rezension, habe ich dabei keine. Meine Meinung über das Buch, die ich hier kund tue, wird dadurch nicht beeinflusst.

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Thomas liest, schreibt drüber, ist von der Menschheit im Allgemeinen genervt und schreibt auch mal da drüber.
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