Das letzte Testament (von Sam Bourne)
Autor: Sam Bourne
Erschienen: 2008
Seiten: 480

Bei Plünderungen im Rahmen des Sturzes Saddam Husseins im Jahre 2003 findet ein Junge eine Tontafel. Über Umwege landet die Jahre später in den Händen des israelischen Archäologieprofessors Shimon Guttman. Der erkennt noch die Brisanz der Tafel, denn sie enthält den letzten Willen Abrahams. Doch bevor er den Fund veröffentlichen kann, wird er ermordet. Weitere Menschen, die mit der Tafel in Kontakt waren, folgen. Der Nahost-Friedensprozess, der eigentlich gerade in einer aussichtsreichen Phase war, gerät wieder einmal in Gefahr.
Um die Verhandlungen zu retten, schickt die US-Regierung Maggie Costello, ehemals Star-Mediatorin für NGOs, die UN und die USA, in die Region. Seit ihrem letzten Verhandlungsauftrag, bei dem sie schlimm scheiterte, hat sie auf Scheidungen umgesattelt. Mehr gezwungen als freiwillig nimmt sie den Auftrag an und beginnt Ermittlungen zu den rätselhaften Mordfällen. Schnell gerät sie dabei zwischen die Fronten.
Das letzte Testament ist Band 1 der Reihe um Maggie Costello und erschien in der deutschsprachigen Fassung 2008, in der aktuellen 2010. Der Thriller stützt sich historisch lose auf die Lage im Nahostkonflikt in der zweiten Hälfte der Nullerjahre. Fest datiert in der Handlung ist lediglich der Strang um die Geschehnisse 2003 im Irak, die restliche Handlung findet »Mehrere Jahre später« statt. Allerdings gibt es innerhalb der Handlung Hinweise, so beispielsweise die Bildung der Einheitsregierung von Hamas und Fatah im Februar 2007, die im Buch bereits geschehen ist. Außerdem steht in den USA eine Präsidentschaftswahl an, was auf November 2008 datiert werden kann. Historisch abweichend ist dabei, dass es im Buch um eine Wiederwahl geht, der damalige US-Präsident George W. Bush aber am Ende seiner zweiten Amtszeit stand. Die Friedensverhandlungen, die im Buch thematisiert werden, sind Fiktion; real wurden diese erst 2010 wiederaufgenommen.
Als Einstieg in die Reihe baut Bourne Das letzte Testament ein bisschen ungewöhnlich auf, was aber nur auffällt, wenn man sich nicht an die Reihenfolge hält und die restlichen Bände schon kennt. Denn im Gegensatz zu den späteren Bänden widmet er sich detailliert mit Maggies Vorgeschichte. Wo sich der Hintergrund der Hauptfigur in vielen anderen Reihen erst nach und nach im Rahmen einer Rahmenhandlung enthüllt, erledigt Bourne das gleich im ersten Band und dort auch am sehr viel präziser, als in allen späteren Bänden. Das betrifft insbesondere Maggies erste Phase als politische Mediatorin. Insofern relativiert sich meine Kritik an der fehlenden Charaktertiefe in den späteren Bänden ein wenig, man sollte die Bücher einfach chronologisch lesen.
Mit Blick auf die Übersetzung von Rainer Schmidt habe ich für ein Buch von 2008 mit dieser Thematik erstaunlich wenig anzumerken. Rassismen und Sexismen werden insgesamt nur von negativ behafteten Figuren genutzt und die werden dadurch auch nicht sympathischer. Es gibt gegen Ende aber eine Stelle, an der Maggie »Gutmenschen« in negativer Konnotation nutzt, was mich sehr gewundert hat. Das Wort schien mir für die Zeit vor 2015 eher eine Randerscheinung. Allerdings muss ich feststellen, es hat seit den 1990ern einen schleichenden, aber stetigen Aufschwung. Dass es 2008 allerdings schon so weit im allgemeinen literarischen Sprachgebrauch angekommen war, dass man es in einer Übersetzung nutzen musste, wundert mich weiter.
Davon aber abgesehen ist Das letzte Testament ein toller Einstieg in eine herausragende Serie. Maggie Costello ist als Protagonistin super gewählt. Thematisch bestechen Band und Serie insbesondere durch ihre recht enge Einbettung in die tatsächlichen Entwicklungen seit Mitte der Nullerjahre. Dazu kommt ein erhebliches Maß an Fachwissen über den Nahostkonflikt und seine Hintergründe und, was allerdings im ersten Band noch nicht so sehr zum Tragen kommt, die US-amerikanische Politik.
Eine Contentwarnung muss ich mir noch gestatten: Es gibt einige wenige Folterszenen und recht eindrücklich beschriebene sexualisierte Gewalt. Gerade letzteres muss in der Deutlichkeit nicht unbedingt gut für jede:n sein.
Also, lest Das letzte Testament und den Rest der Reihe. Es lohnt sich. Sam Bourne hat da mit der Verbindung aus Fiktion und sehr großer Realitätsnähe da wirklich eine oft schmerzhaft gute Thrillerreihe geschrieben.
Maggie Costello
Transparenzblock: Diese Rezension ist auch auf meinem Profil bei mojoreads (Werbung) erschienen. mojoreads versteht sich als social bookstore und beteiligt seine User am Erlös aus Buchverkäufen, die u.a. auf ihre Rezensionen zurückgehen. Wenn du das Buch kaufen willst, würdest du mir eine Freude machen, wenn du es über meine dortige Rezension (Werbung) kaufst. Bedankt 🙂
Die Wahrheit (von Sam Bourne)
Autor: Sam Bourne
Erschienen: 2020
Seiten: 448

Während William Keane in einem vielbeachteten Gerichtsprozess erreichen will, dass die Sklaverei aus der amerikanischen Geschichte gestrichen wird, bricht plötzlich auf der ganzen Welt die Katastrophe aus. Die wichtigsten Bibliotheken und Archive gehen in Flammen auf, Historiker und Zeitzeugen der schlimmsten Epochen der jüngeren Vergangenheit werden ermordet.
Maggie Costello wollte zwar kürzer treten, ist aber schnell bereit, sich den Geschehnisse zu widmen, als sie darum gebeten wird. Schnell wird ihr klar, hier ist eine konzertierte Aktion in vollem Gange und das Ziel ist so offensichtlich wie schrecklich: Das historische Gewissen der Welt soll ausgelöscht werden, damit die Menschheit auf einem weißen Blatt neu anfangen kann.
Die Wahrheit ist, und das finde ich nach Der Präsident wirklich schwer, für mich zweifellos der bislang schlimmste Teil der Serie um Maggie Costello. Und damit meine ich nicht die Qualität des Thrillers. Die ist extrem gut, aber uff, ich habe gelitten wie bei wenigen fiktionalen Büchern. Die Geschichte und die Implikationen, die sie mit sich bringt und die Bourne schonungslos ausarbeitet, sind für mich dermaßen furchtbar, da hat das Lesen viel mit mir gemacht. Alleine die Vorstellung, es würde reichen, die historischen Belege für Sklaverei oder die Shoah zu vernichten, um sie juristisch ungeschehen, weil unbelegbar, machen zu können … wie grausam ist das? Da hilft es auch nicht, dass Die Wahrheit, erschienen 2020, natürlich wieder nah an der aktuellen Lage in den USA geschmiedet ist und diese ganze Geschichte, die Herleitungen, die Argumentationen – Crawford McNamara (aka. Steve Bannon) und William Keane halten seitenlange Monologe, die 1:1 aus dem Lager des derzeitigen Präsidentendarstellers (Herrje, schon wieder) stammen könnten – weit weniger fiktional scheinen, als sie sollten.
Um das also kurz zu fassen, Bourne hat ein Szenario konstruiert, das extrem gut ist, weil es extrem fürchterlich ist. Er verstärkt das, indem er es recht nahtlos in die aktuelle politische Lage in den USA einbettet. Dadurch konnte ich Die Wahrheit nicht alleine als Unterhaltungsliteratur lesen, auch wenn es zweifellos in die Sparte gehört. Das Buch ist auch eine Mahnung, rote Linien insbesondere nach Rechts zu ziehen und sie dann auch vehement zu verteidigen.
Als quasi notwendigen Nebeneffekt spielt Bourne eine Debatte durch, die, abseits eines wissenschaftlichen Diskurses, wahrscheinlich auch nur in rechten und – könnte ich mir thematisch vorstellen – höchstens noch libertären Kreisen existiert: Ginge es den Gesellschaften der Menschheit insgesamt besser, wenn sie nicht mit ihren Altlasten leben müssten? Kriege, Vorurteile, Unterdrückungsmechanismen … vieles davon begründet sich in hohem Maße auf Geschehnisse in der Vergangenheit. Gäbe es die im kollektiven Bewusstsein nicht mehr, könnte dann jede Generation nicht wieder bei Null anfangen? Bournes Antwort auf die Frage ist ein eindeutiges Nein, das zeigt sich alleine schon aus den Motiven, aus denen die Verfechter der These im Buch agieren. Denn die liegen quasi immer in einer Machtposition, die von unbequemen Altlasten bereinigt werden soll. Um es deutlicher zu sagen: Weiße, gut situierte Menschen. Ihnen gegenüber stehen Marginalisierte, die um die effektive Anerkennung ihrer Vergangenheit kämpfen.
An der Stelle möchte ich einen kleinen Kritikpunkt anbringen: Relativ früh im Buch unterhält sich Maggie mit Mike Jewel, dem Schwarzen Wortführer einer Anti-Hass-Kundgebung. Er duzt sie, sie siezt ihn. Das Setting fällt mir öfter auf und es stört mich, denn bei Übersetzungen aus dem Englischen basiert es immer auf einer Interpretationsleistung, schließlich existiert der Unterschied zwischen formeller und informeller Anrede im Original nicht. Es mag Kontexte geben, in denen eine Differenzierung auf dieser zusätzlichen Ebene inhaltlich Sinn macht, wahrscheinlich ist das sogar meistens der Fall. Hier haben wir mit Maggie aber eine Figur, zu der dieses Beharren auf einer formellen Anrede gegen die informelle ihres Gegenübers nicht passt. Und dann sollte man es auch lassen, weil es eine Wertung der Charaktere beinhaltet, die, jedenfalls in der Schärfe, im Original nicht vorhanden war.
Nevertheless, lest Die Wahrheit! Das Buch ist nicht nur als Teil der Serie um Maggie Costello super, es bearbeitet auch ein Thema, das leider sehr in die aktuelle Zeit passt. Bourne warnt, und das laut. Er mag die Sache überziehen – dafür ist es Fiktion -, aber geschichtsrevisionistische Bemühungen gibt es und sie sind gleichermaßen eine große Gefahr.
Maggie Costello
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Der Gewählte (von Sam Bourne)
Autor: Sam Bourne
Erschienen: 2011
Seiten: 460

Gerade zwei Monate im Amt, sieht sich der charismatische US-Präsident Stephen Baker mit einem umfassenden Angriff auf seine Präsidentschaft konfrontiert. Ein Unbekannter veröffentlicht eine Story nach der anderen und beschwört damit ein Impeachment herauf. Als der Erpresser plötzlich tot in seiner Wohnung aufgefunden wird, eskaliert die Lage.
Maggie Costello, die bereits in Bakers Wahlkampf mitgewirkt hat und gerade ihre Stelle im Weißen Haus durch den Stabschef des Präsidenten verloren hat, gehört zu Bakers engstem Kreis und soll die Hintergründe der Erpressung ermitteln. Schnell vermutet sie Ungereimtheiten, doch je näher sie den Drahtziehern kommt, desto größer wird die Gefahr für ihr Umfeld.
Der Gewählte in der aktuellen Fassung stammt aus dem Jahr 2013, erstveröffentlicht wurde der Thriller 2011 bei Scherz, einem Imprint von S. Fischer. Im Zentrum des Thrillers steht erneut Maggie Costello, allerdings verlagert Bourne die Reihe nun thematisch stärker auf die US-Innenpolitik. Er reagiert damit auf die rasante Rechtspopulisierung der USA als Nebeneffekt bereits der Regierung Obama, die schließlich im Präsidentschaftswahlkampf 2016 gipfelte und seitdem weiter eskaliert. Dafür geht er mehr ins (hoffentlich!) Fiktionale und verzichtet auf eine breite historische Basis, wie sie seine ersten Bücher kennzeichnete.
Ich muss gestehen, ich habe mal wieder geschludert, als es um die Reihenfolge der bislang vier auf Deutsch erschienenen Bände um Maggie Costello ging. Dazu kommt, dass ich Der Präsident, den dritten Band, schon als er 2017 erschien las und damals noch nicht rezensiert hatte. Also erscheinen die hier in völlig falscher Folge – wenigstens kann ich sagen, man muss die Serie nicht in der richtigen Reihenfolge lesen, die einzelnen Bücher sind in sich weitgehend abgeschlossen.
Wenn es um die Handlung geht, ist Der Gewählte gewohnt komplex und spannend. Bourne knüpft um den charismatischen Präsidenten Baker – wohl eine Reminiszenz an Barack Obama -, der ursprünglich als Außenseiter ins Rennen ging, ein verzweigtes Netz aus Intrigen und der großen Verschwörung, womit er den sog. Deep State aufgreift. Die Handlung beginnt dabei in einer recht kleinen Dimension, die sich im Fortgang aber immer weiter vergrößert. Unerwartete Wendungen sind dabei vorprogrammiert und halten die Geschichte bis zum Ende spannend.
Mit Blick auf seine Figuren ist Bourne nun großzügiger. Neben Maggie, die unangefochten die Protagonistin ist, bekommen auch einige Nebenfiguren reichlich Raum für eine tiefere Charakterentwicklung. Das gilt insbesondere für Stephen Baker und seinen Chefberater Stuart Goldstein. Das tut dem Buch grundsätzlich gut.
Ein wenig schade fand ich den Plot von Der Gewählte an sich, weil Bourne sich mit seiner Handlung weitgehend in das Feld der typischen US-amerikanischen Verschwörungsthriller einreiht. Die sind zwar spannend – man denke nur an Robert Ludlum, der fast ein ganzes Lebenswerk auf dem Plot aufbauen konnte -, allerdings folgen sie auch einem recht stringenten Grundprinzip, das im Storydesign mittlerweile doch sehr einschränkt: Dem Deep State, wahlweise nur aus Geheimdiensten bestehend oder mit Beteiligung einer Geheimgruppe aus der Spitzenwirtschaft. Das Feld ist leider sehr abgegrast, da ist es schwer, noch mit etwas Neuem aufzuwarten. Allerdings muss ich natürlich auch anerkennen, dass insbesondere der politische Einfluss der Spitzenwirtschaft in den USA in den letzten Jahrzehnten gestiegen ist, erst Recht mit Blick auf den derzeitigen Präsidentendarsteller (hoppla, was war das denn?). Wie dem auch sei, Der Gewählte lebt für mich insbesondere in der Figur Maggies.
Nun möchte ich euch das Buch aber sicher nicht zerreden, denn unterhalten hat es mich schon. Als Vertreter des US-Verschwörungsthrillers ist es nicht schlecht und es ist ja auch nicht Bournes Fehler, dass ich aus dem Segment schon viel zu viele Bücher gelesen habe. Und als Fortsetzung der Reihe mit Maggie Costello gefällt es definitiv. Für Genrefreund:innen also sicher ein Tipp und, mit Blick auf die folgenden Bände der Reihe, die noch offensichtlicher an die aktuelle US-Regierung angelehnt sind, auf keinen Fall ein Grund, die Serie zu verwerfen.
Maggie Costello
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Scharnow (von Bela B Felsenheimer)
Autor: Bela B Felsenheimer
Erschienen: 2019
Seiten: 413

Scharnow, ein Örtchen unweit von Berlin, scheint eines dieser zahlreichen, vollkommen unbedeutenden Dörfer in der Pampa zu sein. Doch weit gefehlt. Denn plötzlich morden Bücher, semi-professionelle, aber um so besorgtere Scharfschützen machen Jagd auf niedliche Haustiere und eine Abstürzer-WG leidet unter Alkoholnotstand. Alles Teil eines großen Plans?
Scharnow, der Debütroman des Die Ärzte-Musikers Bela B Felsenheimer, erschien 2019 bei Heyne in der Hardcore-Sparte. Der satirische Gesellschaftsroman umfasst 413 Seiten und kommt als Hardcover daher.
Scharnow gliedert sich in eine ganze Reihe scheinbar zusammenhangsloser Handlungsstränge, die in relativ kurzen Kapiteln abwechselnd erzählt werden und mit der Zeit zusammen fließen. Bela B entwickelt dabei sowohl ernsthaft realistische als auch herrlich absurde Charaktere – allen gemein, sie sind irgendwie sympathisch. Die herrliche Absurdität zieht sich dann auch durch die ganze Geschichte. Selbst sprachlich bleibt da wenig zu Wünschen übrig.
Aber zurück zum Inhalt. Da wäre der Buchblogger, dessen neuestes zu kritisierendes Werk plötzlich zu ihm spricht, womit sein Leben eine dramatische (und recht kurze) Wendung bekommt. Oder Nami, das Manga-Mädchen, das sich auf dem Weg zu ihrem geliebten »Omili« Hals über Kopf in den syrischen Geflüchteten Hamid verliebt. Der wiederum kann die Finger nicht von der Überwachungssoftware des Internetcafes seines Onkels, in dem er zeitweise arbeitet, lassen und entdeckt dabei Erschreckendes über einen Kunden, der scheinbar gerade einen Anschlag beim »Bund skeptischer Bürger« in Auftrag gibt. Bei diesem pegidesken Verein handelt es sich um einen Haufen schießwütiger Verschwörungstheoretiker, die in niedlichen Haustieren das manipulative Instrument der »Weltenlenker« ausgemacht hat. Doch ist das wirklich alles nur wirre Verschwörungstheorie?
Zeitgleich geht einer abgeranzten Männer-WG neben der »Mische« – neben Chips einem ihrer beiden Grundnahrungsmittel – auch noch das Geld aus. Den daraus resultierenden Supermarktüberfall muss die Polizei Scharnow aufklären, die zu dem Zeitpunkt gerade ausschließlich aus Kommissar Senger besteht. Der weiß sich zwar zu helfen, rutscht dabei aber direkt in die nächste Katastrophe. Unterdessen wird alles, was Kassiererin Silvia zu lieben beginnt, binnen kürzester Zeit erschossen. Und dann sind da noch Seelenparkplätze und ein fliegender Mann, den keiner wahrnimmt.
Ich hatte ein bisschen Angst vor Scharnow. Das lag daran, dass ich als Fan seiner Musik hohe Ansprüche an das Buch hatte, die bei solchen ›Nebenberufungen‹ leider oft enttäuscht werden. Hier nicht! Mit Scharnow knüpft Bela B lückenlos an seine Musik an. Das ganze Buch ist so herrlich absurd, ohne aber ein recht hohes Niveau zu verlassen und ohne auf immer mal wieder eingestreute Gesellschaftskritik zu verzichten. Man möchte es nicht weglegen und im Prinzip ist es auch viel zu schnell durchgelesen. Als Debüt auf einem Marktsegment, das in der Form eigentlich nicht so oft bedient wird, ist das schon erfrischend außergewöhnlich.
Fazit: Lesen! Wer schräg-humoristisches, das trotzdem Intelligenz nicht missen lässt, mag, ist bei Scharnow genau richtig. Ein Ärzte-Song in Buchform und damit genau das, was ich mir von dem Buch erhofft hatte.
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Rezension: Die Sterntaler-Verschwörung (von Jan Seghers)
Autor: Jan Seghers
Erschienen: 2014
Seiten: 489

Schwarzenfels in Osthessen. Vor dem Haus des jungen Süleyman verunglückt ein Motorradfahrer. Als Süleyman ihn durchsucht, findet er einen Umschlag und nimmt ihn an sich. Wenig später geht eine Hausdurchsuchung beim in der Nähe wohnenden Landtagsabgeordneten Johann von Münzenberg gewaltig schief. Und in Frankfurt stirbt eine berüchtigte Journalistin durch einen Augenschuss in ihrem Hotelzimmer.
Im Laufe der Ermittlungen geraten Kommissar Robert Marthaler und sein Team von der Frankfurter Mordkommission immer tiefer in einen politischen und polizeilichen Abgrund.
Die Sterntaler-Verschwörung ist 2014 bei Rowohlt erschienen. Das Buch ist der fünfte von aktuell sechs Bänden aus der Reihe Kommissar Marthaler ermittelt und spielt im Raum Frankfurt und Osthessen. Die 489 Seiten teilen sich auf angenehm kurze Kapitel auf.
Der Rahmen der Geschichte ist angelehnt an die Verhältnisse nach der Wahl zum Hessischen Landtag 2008, als Andrea Ypsilanti (im Buch Sabine Xanthopoulos) den amtierenden Ministerpräsidenten Roland Koch (Rolf-Peter Becker) unter Duldung der LINKEN hätte stürzen können, wenn sie eine mögliche Zusammenarbeit mit der LINKEN nicht im Wahlkampf vehement ausgeschlossen hätte. Ypsilanti scheiterte damals mit der Bildung einer Minderheitsregierung, weil ihr, wie im Buch, vier Parteigenoss*innen in letzter Minute die Stimme versagten. Weitere Nebencharaktere haben reale Vorbilder, der Fall an sich ist aber frei erfunden.
Die Sterntaler-Verschwörung lebt vor allem von ihren Charakteren. Seghers hat mit seinem verschrobenen Robert Marthaler und seinen, jeder auf seine Art liebenswürdigen, Kollegen ein Team geschaffen, das in einer sehr unterhaltsamen Weise unaufdringlich miteinander funktioniert. Sei es der geniale Spurensicherer Carlos, der seine Arbeitszeiten ganz nach seinem Leben richtet und auch gerne mal inbrünstig die Internationale singt, sei es Marthalers Sekretärin Elvira, die ihn in nahezu jeder Lebenslage unterstützt. Hinzu kommt Marthalers sehr legeres Beziehungsgeflecht innerhalb und außerhalb des »Weißen Hauses«, der Heimat der Mordkommission.
In diesem Rahmen konstruiert Seghers einen Krimi, der in weiten Teilen auch leicht als Polit-Thriller durchgehen könnte. Seine Geschichte ist bis ins Detail durchdacht konzipiert und so spannend wie unterhaltsam umgesetzt. Die einzelnen Erzählstränge, denen Seghers, wie es gerade in die Handlung passt, mal mehr, mal weniger Raum gibt, fügen sich nach und nach in ein stimmiges Ganzes zusammen. Je weiter sich das Buch dem Ende nähert, desto vorhersehbarer wird der Ausgang der Story, was dem Lesevergnügen aber keinen Abbruch tut. Bei einem Thriller würde ich das kritisieren, als Krimi oder noch eher Polit-Krimi fühlt sich die Entwicklung der Spannungskurve aber sehr stimmig an.
Die Sterntaler-Verschwörung ist meine erste Begegnung mit Jan Seghers, ein klassischer Bahnhofsbuchladenfund. Da das Buch der fünfte Band der Marthaler-Reihe ist, mag das vielleicht nicht ganz günstig sein. Für das Verständnis des Buches und der Rahmenhandlung hat mir aber nichts gefehlt. Der Rest der Reihe ist sofort auf dem Lesestapel gelandet, allem voran wegen der sympathischen Charaktere, ein bisschen auch für den Frankfurter Lokalkolorit.
Abschließend natürlich eine Empfehlung mindestens an alle Krimifreunde, auch abseits des Großraums Frankfurt. Die Sterntaler-Verschwörung macht Spaß, ein durch die Bank runder Krimi.
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Kommissar Marthaler ermittelt
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Kurzbio

Thomas liest, schreibt drüber, ist von der Menschheit im Allgemeinen genervt und schreibt auch mal da drüber.
Letzteres tut ihm jetzt schon Leid, ersteres nicht.
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