Lesedauer3 Min, 16 Sek
Titel: Schwarzblende
Autor*in: Zoë Beck
Verlag: Heyne
Erschienen: 09.03.2015
Seiten: 416

Frontcover

Niall wird in London zufällig Zeuge eines Terroranschlags. Als Dokumentarfilmer erkundet er gerade einen zukünftigen Drehort, als zwei junge Männer mit Macheten durch die Stadt laufen. Er folgt ihnen und filmt sie später, als sie einen jungen Briten grausam umbringen. Mit ihnen wird er unter Terrorverdacht verhaftet, seine Unschuld steht aber bald fest. Durch seinen Vater, einen bekannten Kriegsfotografen, bekommt er die Chance, einen Dokumentarfilm über die Hintergründe der Tat zu drehen. Bald gerät sein Leben aus den Fugen und auch der Anschlag an sich wird immer mysteriöser.

Schwarzblende ist 2015 bei Heyne erschienen, hat an Aktualität aber nicht verloren. Auf 416 Seiten zeichnet Zoë Beck eine komplexe Geschichte, die mit der öffentlichen Hinrichtung eines britischen Soldaten in einem Londoner Park beginnt, sich aber weit über diesen Fall hinaus erstreckt.

Die Fülle der übergeordneten Themen, die Beck in ihren Thriller einfließen lässt, zu erfassen, fällt mir fast schwer, so viele sind es. Zumal ich an der Stelle nicht zu viel spoilern will, denn Beck hat sich große Mühe gegeben, die Geschichte schwer vorhersehbar zu schreiben. Ich lese üblicherweise keine Klappentexte, bevor ich das Buch gelesen habe, daher ist das, was ich im Laufe der Lektüre von der weiteren Handlung erwartete, mindestens zweimal radikal umgeschlagen. Das alleine war schon ziemlich stark.

Thematisch bewegt sich Schwarzblende in den großen Feldern Daesh, Terrorismus, Rassismus, Journalismus und allgemein der konservativen, britischen Politik inkl. der Ermittlungsbehörden. Innerhalb dieser Bereiche zeichnet Beck zunächst um Niall, später um sein kleines Dokumentarfilmteam eine packende Story im heutigen London. Sie befasst sich intensiv mit dem Leben von Moslems im aufgeheizten gesellschaftlichen Klima spätestens seit 9/11. Dazu gibt sie tiefe Einblicke in den Radikalisierungsprozess und die Propagandamechanismen im Umfeld von Daesh. Auch der Nahostkonflikt fließt in die Geschichte ein, allerdings weniger intensiv. Daneben Politik und Ermittlungsbehörden im Zeitalter von Antiterrorgesetzgebung und den Gefahren, die sich daraus ergeben. Das alles findet eingebettet in den Alltag beim Dreh eines Dokumentarfilms statt.

Ihre Charaktere füllt Beck überwiegend mit Tiefe, jedenfalls die Protagonist*innen. Einige Nebencharaktere bleiben etwas blass. In diesen Eindruck spielt allerdings auch hinein, dass es durch die radikalen Wendungen lange nicht ganz leicht fällt, abgesehen von Niall überhaupt auszumachen, welche Charaktere in das Feld der Protagonist*innen gezählt werden können. Dramaturgisch ist der Thriller wirklich sehr gut aufgebaut. Ich schreibe die Inhaltsangabe normalerweise recht früh beim Lesen, um nachher nicht versehentlich zu spoilern, und bessere sie am Ende nur noch nach. Diesmal musste ich sie komplett neu schreiben, weil das Buch schon relativ früh eine klare Richtung zu haben scheint, dann aber das erste Mal komplett umbricht. Den Bruch hätte mir der Klappentext zwar noch genommen, im Nachhinein betrachtet fand ich ihn so aber deutlich spannender.

Hervorzuheben ist für mich die Figur Leonard Huffman, mit dem Beck ein Plädoyer gegen den Krieg im Allgemeinen hält. Der Kriegsfotograf, der seine Pflicht und Berufung darin gefunden hat, den Menschen zu zeigen, welche Grausamkeiten sie ihren Mitmenschen antun. Wirklich stark. Die Figur ist in jeder Hinsicht rund, mit all ihren eigentümlichen, manchmal scheinbar egoistischen Entscheidungen.

Thematisch hervorheben möchte ich noch das Spannungsfeld, in dem sich Freiheit und Sicherheit im Zeitalter nach 9/11 befinden. Beck spielt das am Eindrücklichsten an Niall durch. Dabei lässt sie ihn dieses Gleichgewicht, das seit langem in Schieflage ist, mehrfach aufgrund persönlicher Betroffenheit weiter in Richtung Sicherheit wünschen. Allerdings lässt sie ihn sich sofort reflektieren und demonstriert so eindrücklich, wie schnell man durch Betroffenheit bereit ist, Menschenrechtseinschränkungen vor allem für andere zu legitimieren.

Schwarzblende ist stark. Es ist fesselnd geschrieben, mit einer einen fast erschlagenden thematischen Breite wohlgemerkt nur fast. Es ist kein Buch, das ich nach dem Lesen direkt zu den Akten legen kann. Für Freunde von Gegenwartsthrillern auf jeden Fall einen Blick wert.

Transparenzblock: Diese Rezension ist auch auf meinem Profil bei yourbook.shop (Werbung) erschienen. yourbook.shop versteht sich als social bookstore und beteiligt seine User am Erlös aus Buchverkäufen, die u.a. auf ihre Rezensionen zurückgehen. Wenn du das Buch kaufen willst, würdest du mir eine Freude machen, wenn du es über meine dortige Rezension (Werbung) kaufst. Bedankt 🙂