Das vergangene Wochenende – eigentlich ja die ganze Woche – stand im Zeichen der Frankfurter Buchmesse. Normalerweise bin ich um die Jahreszeit passenderweise im Norden, dieses Jahr nicht. Also konnte ich mich endlich auch mal dort herumtreiben. Ein paar Gedanken dazu dürfen auf einem Buchblog natürlich nicht fehlen.
Fangen wir positiv an: Ich finde das Konzept Buchmesse toll. Auch wenn man selber von den ausgestellten Büchern nicht allzu viel hat – mehr dazu weiter unten – alleine die Massen zu sehen, die in Zeiten beklagten Sterbens des Buches in die Hallen pilgern. Die offiziellen Zahlen berichten für dieses Jahr von gut 300.000 Besucher*innen und knapp 7.500 Aussteller*innen. Es fühlte sich nach mehr an. Besonders schön ist dabei, von Jung bis Alt ist alles vertreten. Sehr viel Jung. Deutlich mehr, als ich auf einer Buchmesse erwartet hätte. Das mag sicher auch daran liegen, dass mit Frankfurt Cosplay erfolgreich ein Meer von Cosplayer*innen auf die Buchmesse gelockt wurde – eine super bunte Sache, wie ich finde.
Ein kleiner Wehmutstropfen sind die Massen eigentlich auf jeder Messe. Halle 3 am Samstagmittag war beispielsweise eine reine Tortur – nicht nur im Großraum Fitzek-Signierstunden. Tipp für mich fürs nächste Mal: Headliner-Signierstunden weiträumig umgehen, damit macht man nichts falsch. Wie dem auch sei, es war zeitweise wirklich sehr, sehr voll. Das gab sich gegen Nachmittag wieder und Sonntag konnte man sich deutlich besser bewegen, aber beim nächsten Mal könnte ich dann doch über Fachbesuchertickets nachdenken.
Ein großer Wehmutstropfen – nein, ein großes Ärgernis ist alljährlich der Umgang des Börsenvereins mit rechtsextremen Verlagen. Das tut mir jetzt kaum Leid, aber da kommen wir jetzt nicht drumrum. Ob Antaios, secession, Manuscriptum, Junge Freiheit oder Ahriman, um nur mal die bekanntesten der zahlreichen Vertreter zu nennen, der Börsenverein findet einfach keinen adäquaten Umgang mit den Feinden des freien Wortes. Teils waren sie wenigstens in einen Gang am Rand aus dem Fokus verbannt (betrifft Antaios, Manuscriptum und die JF), doch der größte Teil fand sich wieder mal mittendrin zwischen den normalen Ständen. Bei arte stolperte man beispielsweise fast zwangsläufig über secession. Das Ganze ist besonders lächerlich, weil der Börsenverein schicke Taschen verteilte, Vorderseite »Freie Meinung ist Menschenrecht:«, Rückseite »Für das Wort und die Freiheit«. Jetzt kann man natürlich argumentieren, dass auch für Verlage am rechten Rand die Meinungsfreiheit gilt, allerdings ist die Debatte, ob es Sinn macht, denjenigen, die das freie Wort (und noch zahlreiche andere Grundrechte) sofort abschaffen würden, kämen sie an die Macht, eine Bühne zu bieten, eigentlich erschöpfend geführt. Der Börsenverein ist keine staatliche Institution, also hat er die Freiheit, selber zu entscheiden, wen er auf seine Messen holen will. Diese Freiheit sollte man nutzen. Die entsprechenden Verlage bauen sich ihre Öffentlichkeit selber, die muss man nicht noch unterstützen, indem man sie in der Mitte der Gesellschaft platziert und damit normalisiert. Ihre Meinung kann ich ihnen nicht verbieten, aber ich kann ihnen verbieten, sie in meinen Räumlichkeiten zu vertreten.
So, wie schaffen wir da jetzt einen Bogen raus? Vielleicht mit dem eingangs erwähnten kleineren Wehmutstropfen. Ich fand gerade bei den größeren Verlagen wenig für mich neues. Das dürfte jetzt ein typisches Buchblogger/*innenproblem sein. Wenn man die Rezensionsportale und Communities ständig nach Neuem abscannt, hat man halt schon alles gelesen, was einem auf den ersten oder zweiten Blick ins Auge springt. Und viel mehr als ein erster Blick ist bei der Masse an Angebot auf der Buchmesse in zwei Tagen halt auch nicht drin. Mein Einkaufskorb beschränkt sich dann auch auf drei Bücher, die ich sowieso schon auf der Liste hatte, für die ich aber keine Rezensionsexemplare bekam. Ein paar Titel, die mir bis dato noch nicht untergekommen waren, sind auf die Wunschliste gerutscht, aber für die Größe des Angebots ist das eigentlich kaum nennenswert.
Interessant fand ich auch die Bandbreite der Präsentationen der Verlage, insbesondere der großen. Da ist leider viel klinisches dabei. Ob FISCHER, Random House, Lübbe oder Rowohlt, man kommt sich ein bisschen vor wie in einer Buchhandlungskette. Das ist schade, denn dass es auch anders geht, zeigten beispielsweise Kiepenheuer & Witsch mit einem der gemütlichsten Stände unter den größeren Verlagen. Häusliches Ambiente, alles etwas kleiner, alles etwas unaufgeräumter, kassiert wurde stilecht ohne Tresen in eine Geldkassette. Das macht mir den Verlag, aus dessen Programm hier ja so oder so schon relativ viel auftaucht, noch ein Stückchen sympathischer.
Für einen kurzen Lacher hat auch die Platzierung des Standes der Bundesregierung gesorgt. In einem wahlweise lichten oder ironischen Moment hat der Börsenverein die nämlich quasi in die Kinderabteilung gesetzt. Das ist fast schon zu offensichtlich.
Reichlich lästig, aber wohl unvermeidbar, finde ich Stände großer Zeitungen und Zeitschriften. Wenn man da nicht energisch genug vorbei marschiert, hat man sofort jemanden an der Backe, der einem ein Abo andrehen will. Liebe Leute, wenn ich ein Abo wöllte, hätte ich eins! Das ist übrigens erstaunlich übertragbar auf die Religionsreihe, die heimtückischerweise genau auf dem Weg zur ›Raucher*innenterrasse‹ in Halle 3.1 platziert war. So bin ich da auch nicht nur einmal hineingeraten. Da hilft nur sehr schnelles Gehen und konsequentes Ignorieren aller Werbeversuche. Und beim nächsten Mal besser aufpassen, wo man abbiegt.
Einige spannende Veranstaltungen gab es natürlich auch. So lud beispielsweise vorwärts, die SPD-Parteizeitung, unter dem Motto »Politik trifft Buch« jeweils eine*n Autor*in und eine*n SPD-Politiker*in zum Podium. Diskutiert wurde, man kann es ahnen, thematisch das jeweilige Buch. Entdeckt habe ich das leider erst Sonntag, als Sascha Lobo und Achim Post Lobos Buch Realitätsschock diskutierten. Unterhaltsam und für Post bzw. die SPD durchaus mit einigen sympathischen Seitenhieben. Als Sozialdemokrat muss man einen gewissen Galgenhumor heute verkraften.
Ebenfalls am Sonntag und ebenfalls interessant war die Veranstaltung des Duden-Verlags mit Mario Sixtus zu dessen aktuellem Buch Warum an die Zukunft denken?, in dem er sich populärwissenschaftlich unserem Umgang mit der Zukunft widmet.
Ein immer wiederkehrendes Ärgernis war dafür das WiFi der Messe. Man sollte doch meinen, hohe Hallendecken böten perfekte Verhältnisse, um flächendeckend APs zu installieren. Weit gefehlt! Während die Premiumnetze – soweit ich das auf der regelmäßigen Suche nach dem normalen Netz beobachtet habe – ziemlich lückenlos verfügbar waren und scheinbar jeder zweite Stand noch sein eigenes, geschlossenes WLAN hatte, ließ das offene Besuchernetz ziemlich zu wünschen übrig. Ärgerlich besonders, weil die Hallen Mobildatennetze offenbar recht gut abschirmen (oder die Masten einfach überlastet waren, man weiß es nicht). Es entbehrt dann auch nicht einer gewissen Ironie, dass beispielsweise beim Vortrag »Leserinnen und Leser mit Social Media erreichen und binden« am Stand von BoD kein Netz verfügbar war.
Trotz allem, ich hatte ein schönes Wochenende. Meine Schultern schmerzen, meine Beine samt Füßen schmerzen, ich bin noch reichlich gerädert ob der kurzen Nächte, aber es hat sich gelohnt. In diesem Sinne, bis zur nächsten Buchmesse – wenn ich dann nicht im Norden verweile.