Lesedauer3 Min, 46 Sek
Titel: Tage der Toten
Autor*in: Don Winslow
Verlag: Suhrkamp
Erschienen: 20.09.2010
Seiten: 689

Frontcover

Nachdem er im Vietnamkrieg gedient hat, wechselt Art Keller in die Drogenfahndung. Augenscheinlich haben die USA ein Problem, denn von Mexiko aus überschwemmen mächtige Kartelle das Land mit immer neuen Drogen. Keller ist engagiert, gerät immer tiefer in das Milieu doch je tiefer er eintaucht, desto erschreckender werden die Verstrickungen, auf die er stößt. Seine Hartnäckigkeit bringt ihn bald in Lebensgefahr, doch Aufgeben ist für ihn keine Option.

Tage der Toten ist der erste Band in Don Winslows Trilogie um Art Keller. Das Buch umfasst 689 Seiten und erschien 2010 bei Suhrkamp. Die aktuelle Auflage stammt aus dem Jahr 2012.

Um das gleich mal vorweg zu nehmen: Tage der Toten ist ein epochales Werk. Winslow hat sechs Jahre für das Buch recherchiert und das ist auch nicht zu übersehen. Herausgekommen ist ein spannungsgeladener Querschnitt durch die Geschichte des Drogenkrieges auf den amerikanischen Kontinenten. Im Mittelpunkt stehen die Südgrenze der USA und Mexiko, später kommt Kolumbien dazu, weitere Länder werden gestreift.

Winslow beschränkt sich auch nicht auf eine Hauptfigur, auch wenn Art Keller zweifellos der Protagonist ist. Neben ihm erzählt er vor allem die Geschichte der Barreras, die das mächtigste Drogenkartell Mexikos führen und Triebfeder bei der Professionalisierung der Kartelle im letzten Viertel des 20. Jahrhunderts sind. Weitere Figuren aus dem Kreis der italienischen und irischen Mafia in den USA, der Edelprostitution, der katholischen Kirche in Mexiko und mehr oder weniger offene Geheimdienstler*innen beider Staaten spielen ausführliche Rollen. Die Tiefe der einzelnen Charaktere geht so weit, dass es mir fast schwer fällt, von einzelnen Handlungssträngen zu reden.

Lesedauer2 Min, 47 Sek
Titel: Wie halte ich das nur alles aus?
Autor*in: Sibylle Berg
Verlag: dtv
Erschienen: 29.07.2013
Seiten: 152

Frontcover

Ist das eigentlich normal, dass man sich immer öfter ärgert? Und was genau macht man dagegen? Wie schafft man es, in unserer schnelllebigen, immer flexiblen Zeit eine gesunde Beziehung bis zum Lebensende zu führen? Überhaupt Liebe? Muss das? Und was ist das immer mit diesen Mountainbiker*innen auf Wanderwegen? Diese und viele weitere der großen Fragen des Lebens beantwortet Frau Sibylle.

Wie halte ich das alles nur aus? erschien 2013 bei Hanser und wird seit 2015 von dtv verlegt. Auf 152 Seiten beantwortet Sibylle Berg Fragen aus allen möglichen Bereichen des Lebens in kurzen Kapiteln.

Wer Sibylle Berg kennt aus ihren Romanen oder auch ihrer Kolumne bei Spiegel Online wird wissen, worauf ein Buch dieser Art hinaus läuft. Frau Berg stellt sich den großen und kleineren Fragen des Lebens und beantwortet sie in ihrer ganz eigenen Art. Mal zynisch, mal ironisch, mal sehr schwarzhumorig, aber immer mit einem sehr treffsicheren Kern.

In einigen Antworten habe ich mich oder Bekannte wiedergefunden, das ist dann ganz witzig. Denn der Kern der Antwort, die Sibylle Berg liefert, ist meistens derart simpel, dass man sich über sich selbst wundern muss, noch nicht darauf gekommen zu sein. Manchmal geraten die Antworten zu kurz, da merkt man, dass sie ohne den restlichen Kontext nicht ganz schlüssig erscheinen. Ich würde also davon abraten, das Buch nicht linear zu lesen. Im Gesamtkontext offenbart sich Sibylle Bergs Sicht auf ein utopisches, harmonisches Zusammenleben aller und das ist tatsächlich sehr wünschenswert.

Lesedauer4 Min, 66 Sek
Titel: Mittagsstunde
Autor*in: Dörte Hansen
Verlag: Penguin
Erschienen: 15.10.2018
Seiten: 320

Frontcover

Brinkebüll in Schleswig-Holstein unweit der Dänischen Grenze. Ein Tante-Emma-Laden, die Dorfschule, die Kirche, zahlreiche kleine Bauernhöfe und ein Wirtshaus der inoffizielle Mittelpunkt des Dorflebens. Bis 1965 ein typisches ländliches Idyll, wie es an so vielen Orten gefunden werden konnte. Der Krieg war vorbei, das Leben ging weiter und grenzte genau am Ortsschild. Dann kam mit dem Fortschritt die Flurbereinigung und dem Dorfleben, wie man es gewohnt war, ging es an den Kragen.
Sönke und Ella Feddersen und auch ihr »Sohn« Ingwer eigentlich der Sohn ihrer Tochter Marrit, doch die lebte so sehr in ihrer eigenen Welt, dass die Eltern das Kind übernahmen haben die Zeit davor und danach erlebt. Während die Eltern den Gasthof stur weiter betrieben, weil sie sich gar nichts anderes vorstellen können, hat es Ingwer nach dem Abitur nach Kiel an die Universität gezogen. Doch ganz loslassen konnte er Brinkebüll nie das wird ihm nun, im Alter von 48 Jahren, sehr klar.

Der Gesellschaftsroman Mittagsstunde von Dörte Hansen erschien 2018 bei Penguin, einem Teil der Verlagsgruppe Random House. Das Buch umfasst 320 Seiten und erzählt den Wandel, den das kleine Dorf in den Jahrzehnten seit dem Zweiten Weltkrieg erlebt hat.

Ein Buch aufschlagen und schon nach den ersten Seiten denken, dass man das doch alles kennt, das ist eigentlich das Beste, was einem Buch passieren kann. Mit Mittagsstunde ging es mir ziemlich schnell so. Ich komme vom Dorf zwar vom südhessischen und einer wesentlich späteren Zeit entsprungen, aber man kriegt ja doch alles noch nachgeliefert und habe da wirklich viel wiedererkannt. Das Leben im Dorf hat sich in den letzten 70 Jahren zweifellos stark verändert, hier früher, dort später. Erst hat es viel von seiner Romantik verloren, nun wird genau die wieder zu simulieren versucht. Auf der Strecke sind dabei die geblieben, die sich mit den Veränderungen nicht arrangieren konnten.

Lesedauer2 Min, 38 Sek
Titel: Mord am Leuchtturm: 17 Kurz-Krimis
Autor*in: Klaus-Peter Wolf
Verlag: S. Fischer
Erschienen: 24.07.2014
Seiten: 320

Frontcover

Die Kripo Aurich überführt einen Serienmörder. Ann Kathrin Klaasen gerät in eine mörderische Variante des Promidinners. Eine Hexe bringt der Schülerin Julia übermäßiges Glück, doch das hat seinen Preis. Ein Junge entdeckt, dass er seinen gewalttätigen Alkoholikervater mit der Fernbedienung des Fernseher ›an- und abschalten‹ kann. Ein anderer erbt das Auto seines Vaters, das offenbar ein ganz eigenes Seelenleben führt. Diese und mehr Kurzgeschichten warten darauf, von den Lesenden entdeckt zu werden.

Mord am Leuchtturm erschien 2014 bei FISCHER. Die Sammlung von Kurz-Krimis ist, jedenfalls da, wo sie im Klaasen-Universum handeln, zwischen Ostfriesenfeuer und Ostfriesenwut angesiedelt. Das Buch umfasst 17 Erzählungen unterschiedlicher Länge auf 320 Seiten.

Im Gegensatz zu Mord am Deich ist dieser frühere Band weniger mysterylastig, dafür ist aber auch hier Krimi ein recht weit gefasster Begriff. Der überwiegende Teil ist aus der Ego-Perspektive geschrieben manchmal retrospektiv, manchmal auf die Gegenwart gerichtet. Ich-Erzählende sind meistens in irgendeiner Form Täter*in. Diese Erzählperspektive beherrscht Wolf wie wenige andere, ich erwähnte das bereits in Bezug auf Mord am Deich und die Sommerfeldt-Reihe. Wolf gibt tiefe Einblicke in Motivation und Charakterentwicklung, die letztendlich zur Tat führen. Selbst im kurzen Zeitraum, den er in den Kurz-Krimis hat, schafft er das in einem hohen Grad und meist überzeugend.

Lesedauer1 Min, 67 Sek
Titel: Mord am Deich: 13 Kurz-Krimis
Autor*in: Klaus-Peter Wolf
Verlag: S. Fischer
Erschienen: 14.07.2016
Seiten: 400

Frontcover

Im Emsland wird eine Frau ermordet, just als Elke Sommer, die Polizeipsychologin der Kripo Aurich, gerade dort zu Besuch ist. Rupert muss sich einer mörderischen Party stellen. Ein seltsamer Selbstmord für Ann Kathrin Klaasen. Ein Crash-Kid bekommt eine neue Familie. Werwölfe und Dämonen treiben ihr Unwesen. Diese und viele weitere spannende und teils mysteriöse Geschichten warten darauf, entdeckt zu werden.

Mord am Deich erschien 2016 bei FISCHER. Das Buch umfasst 13 Kurzkrimis unterschiedlicher Länge auf 400 Seiten. Chronologisch hat Klaus-Peter Wolf es in der Wartezeit zwischen Ostfriesenschwur und Ostfriesentod angesiedelt.

Die 13 Kurzkrimis handeln teilweise von bekannten Charakteren aus der Klaasen-Reihe, teilweise stehen sie für sich. Einzelne wurden mittlerweile gesondert veröffentlicht. Das Spektrum reicht von realistischen Krimis bis in den Mystery-Bereich, es ist also für viele Geschmäcker was dabei. Die Erzählperspektive variiert, zahlreiche Geschichten sind aus der Egoperspektive geschrieben. Die liegt Klaus-Peter Wolf außergewöhnlich gut, zumal es in gewisser Hinsicht öfter Täter*innenperspektiven sind. Das kennt man bereits aus der Sommerfeldt-Reihe, das kann er wirklich.

Mir persönlich haben vor allem die Geschichten aus dem Klaasen-Universum gefallen, was wohl daran liegt, dass mir die Reihe generell wirklich gut gefällt. Hinzu kommt, dass sie in ein größeres Ganzes eingebettet sind, in dem sie einzelne Charaktere, die in den Klaasen-Krimis oft eher eine Nebenrolle spielen, näher beleuchten in dem Fall Elke Sommer, die Polizeipsychologin, und Kommissar Rupert, der nun ja Rupert.

Lesedauer1 Min, 98 Sek

Letzte Woche war's hier ja mal ein paar Tage etwas still, was nicht heißt, dass ich nicht gelesen habe. Aber manches Buch möchte ich aus den unterschiedlichsten Gründen nicht in einer Rezension verwursten und ein paar davon halte ich aber doch für erwähnenswert. Die werde ich, so es denn welche gab, in Zukunft, ich denke halbmonatlich, in einem Post zusammenfassen.

Karla Byrinth: Die Symmetrie der Schneeflocken (Myrie Zange 1)

Frontcover

Das OpenBook spielt in einer Welt, die klassische Fantasy und Science Fiction mischt. Die Arten entstammen der klassischen Fantasy (Zwerge, Orks, Goblins, Menschen etc.), das Technologiesetting ist eine Mischung aus Fantasy und Science Fiction.

Die Reihe ist auf sechs Bände angelegt, der zweite ist aktuell so gut wie fertig. Karla Byrinth hält sich grundsätzlich offen, ob die Reihe fertig wird.

Interessant ist das Werk vor allem, weil es eine für neurodivergente Wesen (Myrie Zange hat autistische Züge) wohlfühlige Welt zu zeichnen versucht. Dabei werden im ersten Band insbesondere Kommunikations- und integrative pädagogische Konzepte gezeichnet, die diesem Anspruch gerecht werden könnten. Vieles davon erscheint auf den ersten Blick ungewohnt, auf den zweiten ist es völlig nachvollziehbar und deutlich klarer (Stichwort: Implikationsvermeidung) insbesondere als gewohnte Kommunikationskonzepte.

Das Buch ist nicht immer ganz einfach, trotzdem lohnt es sich. Karla Byrinth weist explizit darauf hin, dass dem ersten Band noch ein Korrektorat fehlt das merkt man auch beim Lesen. Ist die Hürde mal geschafft, ist es wirklich schön zu lesen.

Frei verfügbar als Openbook
Die Symmetrie der Schneeflocken

Marc-Uwe Kling: Die Känguru-Chroniken

Die Känguru-Trilogie und die Apokryphen habe ich jeweils als Zweitbücher gelesen nette Gute-Nacht-Literatur quasi. Die Trilogie schreibt in kurzen satirischen Episoden die Geschichte von Marc-Uwe, der mit einem kommunistischen Känguru zusammen lebt, fort. Die Apokryphen sind, wie das Wort schon sagt, Geschichten, die es nicht in die Trilogie geschafft haben, was sie aber nicht weniger gut macht.

Ob das Känguru den Lauf der Welt erklärt, den Kampf gegen Nazis fortführt oder die Spielregeln von Schnick Schnack Schnuck revolutioniert, die Bücher sind ein herrliches Stück politischer und gesellschaftlicher Satire. Kurzweilig und allemal empfehlenswert.

Lesedauer2 Min, 57 Sek
Titel: Neongrüne Angst
Autor*in: Klaus-Peter Wolf
Verlag: S. Fischer
Erschienen: 22.08.2013
Seiten: 416

Frontcover

Johanna hat Angst, denn neuerdings bekommt sie merkwürdige Anrufe. Ein geheimnisvoller Flüsterer verlangt immer schrägere Dinge von ihr und wenn sie sie nicht haargenau erfüllt, sterben Menschen. Steckt etwa Volker, der Schulrowdy dahinter? Oder gleich die halbe Clique ihres Bruders? Der etwa auch? Je mehr sie sich in ihr Misstrauen steigert, desto weniger lässt sie ihren Freund Leon, der sich große Sorgen macht, an sich ran. Und ihre Lage wird immer gefährlicher.

Neongrüne Angst ist der zweite Jugendkrimi in Klaus-Peter Wolfs Reihe Leon und Johanna. Verlegt wird er seit 2013 bei FISCHER, er umfasst 416 Seiten. Das Buch wird ab 12 Jahren empfohlen.

Seit dem Ende von Nachtblauer Tod ist viel passiert im Leben von Leon und Johanna. Die beiden sind jetzt ein Paar. Leon geht nicht mehr zur Schule, sondern arbeitet nach einem Praktikum nun in Delmenhorst als aufstrebender Nachwuchsjournalist. Weil sein Vater es in der alten Wohnung nicht mehr ausgehalten hat, wohnen beide nun in Ganderkesee bei seiner Freundin Trudi. Leon kommt damit nicht besonders gut klar, denn das Leben der beiden besteht hauptsächlich aus Selbstmitleid, Alkohol, Chips und dem Fernseher. Leon hingegen leidet unter der Entfernung zu Johanna, die weiter in Bremerhaven wohnt und zur Schule geht.

Im Gegensatz zu Nachtblauer Tod dreht sich Neongrüne Angst sehr viel stärker um Johanna. Thematisch behandelt die Geschichte vor allem Stalking in Zusammenhang mit Erpressung. Johanna wird zu Dingen gedrängt, die sie unter normalen Umständen nie machen würde. Durch die psychologische Komponente der Erpressung, allgemein Menschen und später auch die aus ihrem nahen Umfeld zu töten, sieht sie sich in einer Sackgasse, die sie sich immer mehr von allen anderen abschotten lässt. Das bekommt vor allem Leon zu spüren, der ihr eigentlich nur helfen will, mit zunehmender Eskalation aber vollkommen von ihr ausgeschlossen wird.